Etappen Borgholm – Figeholm – Västervik – Stora Alö – Arkösund – Oxelösund
13. – 18. Mai 2022
Der Wind bremst uns zur Zeit leider etwas aus…
Nach einem Hafentag in Borgholm – bei Westwind Stärke 7-8 Bft – haben wir am Freitag (den 13.) ein kleines Windloch genutzt, um ein Stückchen weiter zu kommen. Der Wind holt nämlich nur neuen Schwung. Wenn wir also heute nicht ablegen, müssen wir mindestens bis Sonntag bleiben. Borgholm ist zwar nett, aber zwei Tage ist auch genug.
Schon im Hafen ziehen wir unsere zwei Reffs ins Großsegel – besser ist besser. Und ab geht’s. Die Tatsache, dass der Westwind über das nahegelegene Festland kommend auf den hier noch relativ schmalen Kalmarsund trifft, bedeutet, dass das Wasser nicht viel Zeit hat, sich zu Wellen zu formieren. Wir haben also (immer noch) reichlich Wind, aber kaum Welle. Und halber Wind, also Wind von der Seite, läßt unseren Dampfer laufen wie verrückt 👏👏😍 Wir haben zeitweilig 8kn Geschwindigkeit auf der Logge stehen – über Grund, ohne Strömung, die uns mitzieht! Einfach genial. Habe leider vor lauter Begeisterung vergessen, ein Foto zu machen.🤷
Nach einiger Zeit kommt die versprochene bzw. vorhergesagte kurze Windberuhigung und wir können ausreffen. Mit immer noch 7kn (diesmal mit Fotobeweis) gleiten wir den Kalmarsund hoch gen Norden. Dann wieder ein Starkwindfeld: Reffs wieder rein. Windfeld ist durch: erst ein, dann etwas später auch das zweite Reff wieder raus. Heute ist richtig was los an Bord. Unsere mitgeplottete Kurslinie sieht echt nett aus: immer schön geradeaus, dann plötzlich ein kurzer Zacken (in den Wind zum ein- oder ausreffen), und wieder die Kurslinie weiter geradeaus.

am Horizont die Burgruine






Erst kurz vorm Ziel packen wir die Segel endgültig ein um uns bei der ersten Einfahrt in das Schärengebiet voll auf das Fahrwasser konzentrieren zu können. Hier in Figeholm waren wir zwar schon mal, aber wir müssen uns doch erstmal wieder auf die kleinen Felsen, Minitonnen und das Zickzack durch die Untiefen einstellen.
Der Gästesteg in Figeholm ist verwaist und wir haben freie Platzwahl. Der Hafen liegt schön geschützt – man merkt man kaum etwas von dem „draußen“ pustenden Wind. Hier werden wir jetzt den für den nächsten Tag angesagten Starkwind ganz ruhig durchziehen lassen.


In Sichtweite vom Hafen ist eine kleine Pizzeria – zum selber kochen haben wir keine Lust mehr – und so gehen wir „Essen mit Kellner“. Seit langer Zeit das erste Mal in einem Restaurant essen… also im Innenraum. In Deutschland haben wir uns höchstens mal auf einer Außenterrasse bewirten lassen. Doch hier in Schweden, bei einer aktuellen 7-Tage-Inzidenz von 17, sind alle sehr entspannt. Deutschland hat z.Zt. 486. Wir haben in den letzten Wochen max. 5 Menschen mit Maske gesehen. Also trauen wir uns… und Pizza und Salat sind wirklich lecker.
Der nächste Morgen begrüßt uns mit den von den letzten Tagen bekannten Geräuschen: der Wind pfeift heftig durch die Wanten. Das Schiff zerrt bei jeder einfallenden Böe kräftig an seiner Heckboje… die Boje muß ordentlichen was halten und wird dabei manchmal ganz unter Wasser gezogen. Aber sie hält gut. Was mag wohl draußen, also außerhalb der schützenden Schären, für ein Wind sein? Dunkle Wolken ziehen über uns hinweg… aber glücklicherweise bringen sie keinen Regen. Das richtige Wetter für einen Hafentag. Alles richtig gemacht – auch, wenn wir „eigentlich“ weiter wollen.
Nach mehreren Tassen Kaffe zum wach werden ist putzen, waschen, einkaufen angesagt. Im Hafen haben die Clubmitglieder offensichtlich Arbeitseinsatz, um alles für die beginnende Saison herzurichten: überall wird gewerkelt, geputzt, trockene Äste geschnitten, noch ein Waschbecken montiert… und ich zwischendrin an den Waschmaschinen. Ist ja sonst niemand da, also belege ich gleich beide (nagelneuen) Maschinen und Trockner und bin dann fix durch. Am Abend bekommen wir dann doch noch einen weiteren Gastlieger: ein Schwede auf dem Weg mit seinem Segelschiff nach Spanien!




Der Sonntag (15.05.) beschert uns blauen Himmel – ohne Wolken! Die Windvorhersage ist soweit ok und wir machen uns zum ablegen bereit. Dafür müssen wir uns allerdings einen guten Plan machen. Der Wind kommt nämlich aktuell direkt von der Seite, immer noch etwas böig, und würde uns, sobald die Leinen gelöst sind, sofort vertreiben. Wir müssen aber zwischen den diversen freien Heckbojen hindurch, ohne eine zu überfahren oder unter Wasser zu drücken. Man weiß dann nie so genau, ob die Boje irgendwo unter dem Schiff hängen bleibt.
Gedacht, getan: Achterleine – die mit unserer Boje dran – auf die elektrische Winsch gelegt, dann kann Kalli nämlich sowohl die Winsch als auch den Gashebel bedienen, Rückwärtsgang eingelegt, Vorleine schnell los und eingeholt und zügig die Boje an Steuerbord dicht ans Schiff gewinscht. Dann fix die Achterleine von der Boje gelöst… hat alles prima geklappt. Sogar der Wind hat mitgespielt und nicht noch eine Böe geschickt.
Und dann die Ausfahrt aus Figeholm… gut 2sm durch die Schären… gegen die Sonne… das bringt den Puls richtig in Wallung. Wir können nämlich – gegen die Sonne – die Farbe der Fahrwassertonnen überhaupt nicht erkennen. Und es ist in diesen Gewässern wichtig, das Fahrwasser korrekt zu fahren. Ok, ok, die elektronischen Hilfsmittel an Bord zeigen die Tonnen und die Position des Schiffes exakt an, aber es ist halt ein an manchen Stellen reichlich schmaler Weg zu fahren. Da fühlen wir uns sicherer, wenn wir die Tonnen eindeutig identifizieren können.
Warum fährt man eigentlich in eine Gegend mit vielen Felsen im Wasser – oder dicht unter Wasser – und damit kaum sichtbar – und meistens mit einer Zick-Zack-Kurslinie? Der Rudergänger den Kartenplotter vor Augen und das zweite Crewmitglied zusätzlich eine Papierkarte in der Hand? Immer mal wieder einen Blick durchs Fernglas mit der Frage: welche Tonne ist das denn jetzt eigentlich? Weil die Navigation interessant ist, die schöne Umgebung gut tut für die Seele und es permanent spannend bleibt, macht man das. Weil man an manchen Stellen von weitem nicht sehen kann, ob der Weg, so wie die Karte es sagt, wirklich weitergeht. Weil viel Natur um einen herum ist. Weil es einfach schön ist!







Das wechselt nämlich immer mal – und dann wechselt auch das Bändchen seine Seite.
Der Schärengürtel lichtet sich nochmal ein wenig und wir steuern unser nächstes Ziel Västervik an. Das ist zwar eine größere Stadt, liegt aber gut auf unserem Weg und wir waren lange nicht da. Es gibt gleich mehrere Häfen mit überall reichlich Platz. Wir legen uns längs im Hafen Slottsholmen vor eine neue und wirklich sehenswerte Hotelanlage.





Wirkliches Kontrastprogramm zu Figeholm. Der kurzer Spaziergang durch den Ort bringt Västervik auf unsere „können-wir-nochmal-wieder-hin-Liste“. Belebte Cafés und Restaurants, flanierende Menschen und rundweg eine positive Stimmung. Nicht so dröge wie Karlskrona – und heute ist ebenfalls Sonntag.
Und eine riesige Fähre liegt hier im Hafen, obwohl wir die Zufahrt schon reichlich schmal fanden. Scheint aber wohl zu passen. Sie bedient die Strecke Västervik-Visby (Gotland) – aber erst ab Mitte Juni.

Hier muss auch die Fähre durch!




Als nächstes muss es aber endlich mal an eine Boje gehen. Zu dieser Jahreszeit sollte doch wohl noch eine Freie zu finden sein. Vom schwedischen Seglerverband Svenska Kryssarklubben (SXK) – quasi der schwedischen Variante der deutschen Kreuzerabteilung – sind an vielen Stellen in den Schären blaue Bojen ausgelegt. Als Mitglied darf man sie nutzen und muss dann nicht seinen Anker ausbringen. Fühlt sich aber genauso an. Und wir sind Mitglied. Durch eine kleine Flagge, die man am Schiff befestigt, legitimiert man sich. Denn auch Nichtmitglieder dürfen diese Bojen nutzen. Allerdings nur, wenn kein Mitglied Anspruch erhebt.
Wir suchen uns Stora Alö aus, eine etwas größere Schäre, und wirklich alle ausliegenden SXK-Bojen sind frei. Im Sommer ist hier vermutlich der Bär los, denn es liegen sechs blaue Tonnen bereit und es gibt auch einen kleinen Steg, an dem man mit ausliegenden Heckbojen festmachen kann – die große Anzahl dieser roten Heckbojen lässt für die Hauptsaison nichts Gutes erahnen. Gut, dass wir hier jetzt alleine sind. Erst spät am Nachmittag kommt noch ein weiteres Segelboot und macht ebenfalls an einer blauen Boje fest.






Pilgrim schwoit sanft an der Boje hin und her… immer schön vom Wind in die eine oder andere Richtung gedreht… wir sitzen entspannt im Cockpit und genießen den sich immer wieder ändernden Ausblick auf die Landschaft. Vögel zwitschern und besonders ein Kuckuck tut sich hervor. Ein Fischreiher stolziert am Ufer, das Wasser plätschert über die Felsen… Entspannung pur.
Am Ufer sehe ich später sogar einen Fischotter und ein Reh… was will man denn mehr?


Hier ist natürlich nichts mit WLAN – wenn Internet, dann über LTE – aber ein gutes Buch oder Strickzeug tut es ja auch mal. Oder mal einfach nur in die Gegend gucken… Nach der letzten Sonne im Cockpit verkrümeln wir uns unter Deck, denn ohne Sonne ist es noch reichlich kühl draußen.
Beim Ankern, also ohne Landstrom, müssen wir unseren Stromhaushalt im Auge behalten. Aber wir sind mit Batterien gut ausgestattet und abends ist es schon lange hell – z.Zt. bis 22.00Uhr. Und wenn es dunkel ist, kann man auch schlafen gehen.
Am nächsten Tag (Dienstag, 17.05.) lassen wir es ganz ruhig angehen. Erstens ist es einfach schön hier, und zweitens soll sich die Windstärke erst am späten Vormittag auf ein angenehmes Maß reduzieren. Wir wissen jetzt auch wieder, durch die seit langem erste Ankernacht, welche Verbraucher wieviel an Strom verbrauchen und womit wir haushalten müssen. Ich nutze derweil die Zeit, um unsere Routenplanung in das elektronische Navigationssystem einzugeben. Das dauert in dieser Gegend – mit dem permanenten Zickzack-Kurs – schon deutlich länger als zu Hause in der Lübecker Bucht. Und man sollte auch weit in die Karten hinein zoomen, da sich manchmal erst in einem kleineren Maßstab die Felsen zeigen.
Auf dem Weg nach Arkösund, unserem nächsten Ziel, passieren wir ein ganz besonderes Seezeichen: die Tonne „Kejsaren“, eine grüne Fahrwassertonne mit goldener Krone. Es heißt, dass der dänische König Waldemar 1219 mit seiner Flotte auf dem Weg die schwedische Küste entlang bis nach Finnland hier vorbeigekommen sei. Jedenfalls soll man unbedingt, wenn die Tonne passiert ist, einen Schluck auf ihn trinken. Das machen wir natürlich gerne, obwohl natürlich unterwegs Alkohol normalerweise nur zu medizinischen Zwecken Anwendung findet. 😜🍷🥃

aber 12m Wassertiefe !!



In Arkösund angekommen treffen wir einige Segler wieder, die wir schon in anderen Häfen getroffen haben. Es haben doch alle gen Norden irgendwie den gleichen Weg.
Zu diesem Hafen gehört nicht wirklich ein Ort, nur eine Ansammlung hübscher Häuschen – und ein „Arkösund Hamnkrog“, eine bessere Grillbude, in der uns aber eine leckere Fleischplatte serviert wird. Hatten wir hier nicht wirklich erwartet. Der Betreiber erklärt uns die Speisekarte sogar auf deutsch – er hat schweizer Wurzeln.
Ansonsten ist hier noch alles so sehr verschlafen, dass wir keine Hafengebühr zu bezahlen brauchen. Ganz offiziell! Prima!










ein bemalter Steinhaufen
An unserem nächsten Zielhafen Oxelösund übrigens auch nicht. Strom ist zwar an den Stegen schon angestellt, Wasser aber noch nicht und der Automat zum Bezahlen ist „out of order“. Ist auch ok, denn wirklich schön ist es hier nicht. Aber für die weitere Etappe nach Nynäshamn ist ab Mittags zuviel Wind vorhergesagt. Also kurz hier in Oxelösund im Hafen etwas verstecken und morgen weiter an einen hübscheren Ort.




Morgen geht es weiter nach Nynäshamn. Tschüß bis dahin 💁♀️💁♂️
One Response
das mit den medizinischen Zwecken lassen wir uns bei gelegenheit gerne erklären ….