Weiter gen Norden

Etappen Oxelösund – Nynäshamn – Norrviken/Storön – Furusund – Gräddö

19. – 25. Mai 2022

Die Nacht in Oxelösund war sehr unruhig. Das hatten wir so noch nie erlebt. Durch den kräftigen Südwind vor dem eigentlich sehr geschützt liegenden Hafen wurde eine ganz sanfte Welle in das Hafenbecken gedrückt. Kaum zu sehen. Das führte aber dazu, daß der Schwimmponton, an dem wir lagen, langsam ins schaukeln geriet und die daran befestigten Schiffe mit ins Schaukeln brachte. Inzwischen hatte neben uns, allerdings auf der anderen Seite des Pontons, ein weiteres Schiff festgemacht. Das schaukelte noch doller. Die Schaukelei beruhigte sich dann immer für einige Zeit wieder, und ging dann ganz unvermittelt erneut los. Wir durften unsere Gläser nicht unbeaufsichtigt auf dem Tisch stehen lassen, sonst wären sie heruntergerutscht. Beim schlafen hingegen störte das später garnicht: wir wurden quasi in den Schlaf geschunkelt. 

Am nächsten Morgen die Lösung: als das Nachbarschiff abgelegt hatte war ein sanftes Schaukeln zwar immer noch zu spüren, aber längst nicht mehr so stark. Die Schiffe wurden also wohl vom Ponton ins Schaukeln gebracht – wie wir schon vermutet hatten – haben sich dann aber gegenseitig im wahrsten Sinne hochgeschaukelt. 

Was lernen wir? Das nächste Mal alle Schiffe auf der selben Seite festmachen oder doch mit Heckboje anlegen.

Früh morgens, am Donnerstag, geht es weiter nach Nynäshamn. Für Freitag ist Regen – der erste seit min. 4 Wochen – angesagt und dann wollen wir in einem größeren Ort mit Besichtigungs-Potential liegen und uns nicht mit wetterfester Kleidung und nassen Segeln herumschlagen.

Wir wählen einen Kurs außerhalb des Schärenfahrwassers, da guter Segelwind angesagt ist. Der Wind ist auch da, allerdings auch eine blöde Restwelle vom gestrigen Starkwind, sodaß wir unseren Kurs eher nach der Welle als dem Wind richten müssen. Das beschert uns sowohl einen Umweg, als auch ein ähnliches Geschaukele, wie die Nacht über. Und richtig voran kommen wir auch nicht. Irgendwann geben wir auf und der Jockel muss ran. 

Je näher wir Nynäshamn kommen, desto mehr merkt man auch die Nähe (keine 50 km) zu Stockholm: die Bebauung wird enger, die Häuser städtischer und die Schiffe größer… 😜

Einige Meilen vor dem Zielhafen werden wir plötzlich angefunkt. Die „CarpeDiem“ mit Anita und Dieter, mit denen wir in einem anderen Hafen schon mal nett geschnackt haben, hat uns auf MarineTraffic verfolgt und jetzt bei der Anfahrt auf Nynäshamn gesehen. Dieter warnt uns vor: „der Hafen ist rappelvoll. Ihr legt euch am Besten längsseits an den Kreuzfahrer – da ist Platz.“ Glücklicherweise nur ein Joke. Dieter steht dann auch am Steg, um unsere Leinen anzunehmen. Wie nett!  

Witzigerweise winken uns von einem just vor uns eingelaufenen und eben erst festgemachten Schiff auch zwei Personen zu. Wir schauen etwas verdutzt und überlegen, in welchem der letzten Häfen wir die wohl getroffen haben. Und dann die Erleuchtung und großes Hallo. Die Beiden – Ronja und Wolfgang – gehören zu „Lórien“, einem Segelschiff, dass in unserem Heimathafen Grömitz am selben Steg liegt wie wir. So klein ist die Ostsee. 

Nach einem gemeinsamen Einlaufdrink testen wir abends die örtliche Gastronomie – mit sehr positivem Ergebnis – und tauschen Reiseerfahrungen aus. Wir stellen fest: in manch einem Hafen haben wir uns nur um einen Tag verpasst. Und da sie auf ihrem Schiff kein AIS installiert haben (ein automatisches Identifikations-System, das über Funk den Rufnamen, Schiffskennung, Schiffstyp, GPS-Position, Schiffsgröße etc. sendet), konnten wir sie auf unserer AIS-Anzeige auch nicht entdecken. AIS ist nur für Schiffe über 20m vorgeschrieben, in der Freizeitschifffahrt aber schon sehr verbreitet. Und wir finden, sehr hilfreich.

Wir haben unseren Wunsch-Liegeplatz direkt vor einer kleinen Räucherei bekommen. Hier haben wir vor sechs Jahren mit zwei Freunden schon mal festgemacht – damals allerdings bei strömendem Regen. Wurde dann aber wieder schönes Wetter. Gruß an Jörn und Werner 💁‍♀️💁‍♂️ Heute gehen und sitzen hier die Menschen an der kleinen Flaniermeile  „Havstrappan“ schon in kurzen Hosen und T-Shirt! Es ist zwar inzwischen deutlich wärmer geworden als in den letzten Tagen, aber selbst mir – und ich bin wirklich kein frösteliger Typ – ist es mit dünnerem Pulli und Sandalen (aber ohne Socken!) luftig genug. Kurze Hose kriegen wir später.

In der Räucherei versorgen wir uns mit leckerem Fisch für die nächsten Tage und finden in der näheren Umgebung auch noch verschiedene Marktstände. Sogar mit deutschem Spargel! Das nächste Abendessen ist gesichert.

Am Morgen darauf ein ungewohnter Anblick: leichter Regen hüllt alles in ein trübes und eintöniges grau – leider wie vorhergesagt. Das bedeutet: umdrehen und noch ne Stunde schlafen. Dann nutzten wir die Gelegenheit – nach dem ausschlafen – das Schiff mal von dem (Blüten-)Staub der letzten Zeit zu befreien. Es nieselt noch sanft vor sich hin, aller Staub ist naß und schön eingeweicht und läßt sich einfach abwischen. Auch unsere Kuchenbude ist das erste Mal seit unserem Start in Kappeln aufgebaut und kann sich entknittern. Aber mit kurzer Hose und T-Shirt sieht man niemanden mehr… es ist wieder deutlich kälter geworden. Und der Wind bläst kräftig aus Nordost, genau aus der Richtung, in die unser weiterer Kurs führen soll. Bei dem Wind zeigt sich auch, daß der schwimmende Wellenbrecher vorm Hafen – lt. Info-Flyer mit 380m Nordeuropas größter – gute Dienste tut. Davor ordentlich Welle, dahinter ruhiges Hafenwasser.

Die Tage in Nynäshamn sind sehr entspannt. Es sind dann wegen des andauernden (zu) kräftigen Nordost-Windes dann doch zwei Hafentage geworden und wir nutzen die Zeit, um bei dem recht schnellen Hafen-WLan diverse Updates zu laden und die Kontakte zu anderen Seglern zu pflegen. Es liegen mehrere Schiffe hier, die wir unterwegs schon mal getroffen haben.

Am Sonntag geht es dann aber weiter… wieder an eine Boje im Stockholmer Schärengarten. Dieser Archipel ist die größte Inselgruppe in Schweden mit mehr als 30.000 Inseln, Inselchen und Felsen und erstreckt sich von Schwedens Hauptstadt, die alleine auf 14 mit mehr als 50 Brücken verbundenen Inseln liegt, bis 80km in die Ostsee hinein und über 150km von Nord nach Süd. 

Richtung offene See geht die Landschaft von größeren, bewaldeten Inseln zunehmend in kleine, karge Felsen und Klippen über. Auf den Inseln des Archipels findet man Partyorte und mondäne Yachthäfen ebenso wie verträumte Fischerdörfer, einsame Stege und unberührte Natur. Nur 150 Inseln sind das ganze Jahr über bewohnt, aber etwa 50.000 Ferienhäuser stehen im Schärengarten. Zwischen den Insel flitzen kleine Wassertaxis und Fähren hin und her und bringen Fahrgäste auch zu entfernteren Inselchen. Sogar in der Nähe unserer Ankerbucht Norrviken /Storön legt ein kleines Boot an und holt Gäste ab.

Bei der regelmäßigen täglichen Kontrolle unseres Motors finden sich einige Wassertropfen, die dort nicht hingehören. Kalli vermutet die Motor-Kühlwasserpumpe als Übeltäter, die Ursache läßt sich aber nicht exakt identifizieren. Es sind zwar wirklich nur ganz wenige Tropfen… aber sowas wird ja normalerweise mehr. Folglich verbringen wir den Montagmorgen mit herumtelefonieren. Irgendwo wird es doch wohl einen VolvoPenta-Monteur geben, der sich das Ding mal anschauen, reparieren oder austauschen kann.

Das gestaltet sich allerdings als anspruchsvolle Aufgabe, denn die Antworten lauten jeweils: „wir haben keine Zeit bis Mittsommer“. Dann schaltet Kalli den VolvoPenta-Kundenservice ein und nach einiger Zeit können sie uns tatsächlich einen Hafen in der Nähe nennen, der mal schauen will, ob er Pilgrim dazwischen schieben kann. Na immerhin. Und wenn wir erstmal da sind, müssen wir eben ein bisschen auf die Tränendrüsen drücken. Vier Wochen – bis Mittsommer – zu warten ist jedenfalls überhaupt keine Option.

Wir fahren also erstmal weiter – Furusund ist unser Ziel. Und es sind ja auch wirklich nur ganz wenige Tropfen. 

Furusund liegt direkt am Ausgang des relativ breiten, und vor allem tiefen, von den imposanten Kreuzfahrern und riesigen Fähren genutzten Fahrwassers von Stockholm gen Ålands, Helsinki, Visby/Gotland, Baltische Staaten. Auf dem Weg dahin haben wir zeitweilig 120m Wasser unter dem Kiel. Über so tiefes Wasser sind wir in der Ostsee noch selten gefahren. Die deutschen und dänischen Ostseegewässer sind meist nur 20-30m tief.

Schon beim Ansteuern des kleinen Hafens gucken wir ganz erstaunt: am Steg liegt eine Nordship und der Eigner ist sogar an Bord. Wir winken uns gleich zu und der Eigner ist uns beim Anlegen behilflich – hier liegen Mooringleinen aus, für die man gerne eine zusätzliche Hand  in Anspruch nimmt und wir kommen nach erfolgreichem Anlegemanöver nett ins Gespräch. 

Eine Nordship zu treffen ist immer irgendwie schön. Es ist einfach kein in großer Stückzahl gebautes Schiff und daher relativ selten zu treffen. Ulf hat hier mit „Tindra“ seinen Sommerliegeplatz und gibt uns sogleich reichlich Tipps für nette Häfen auf den Ålands und der Höga Kusten, der etwa 500 km nördlich von Stockholm gelegenen Küstenregion am Bottnischen Meerbusen. Ich mache mir reichlich Notizen… mal schauen, was wir davon alles anfahren können. Ulf erzählt uns auch, daß in diesem Jahr der Sommer etwa 2-3 Wochen zu spät ist. Es ist einfach noch deutlich kälter als normalerweise. Trotz viel Sonnenschein.

Von den vorbeifahrenden Kreuzfahrern spürt man übrigens im Hafen garnichts. Wir hatten mit ein wenig Welle gerechnet. Doch die kleinen Motorboote und Wassertaxis bringen deutlich mehr Unruhe aufs Wasser – sowohl mit Welle als auch mit Geräusch!

Am Dienstag fahren wir dann nur einen kurzen Weg bis nach Gräddö –  mal schauen, was der Motorservice sagt. Übrigens war bei der Motor-Kontrolle in Furusund KEIN Tropfen zu sehen. Spontane Selbstheilung? Vermutlich, denn bei der Motorkontrolle in Gräddö… wieder alles ok. Kein Tropfen Wasser. Wir sprechen mit dem Motorservice vor Ort, der uns immerhin seinen Einsatz in 4-5 Tagen anbietet. Allerdings: die Pumpe hat er natürlich nicht am Lager und ein Reparaturset auch nicht. Bestellung bzw. Lieferung dauert ca. 1 Woche. 

Wir entscheiden, weiter auf die Selbstheilungskräfte der Kühlwasserpumpe zu vertrauen und beobachten das Wetter für die weitere Törnplanung. Für den nächsten Tag ist erstmal wieder viel Wind, Blog schreiben und erkunden der Umgebung angesagt. 

Stay tuned and keep watching!

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