Finnland ruft…

Etappen Gräddö – Mariehamn/Ålands – Degerby – Sottunga

25. – 31. Mai 2022

Da der Wind meint, sich nochmal ordentlich auspusten zu müssen, lassen wir ihn gewähren und nutzen die Sauna in Gräddö. Mit etwas Glück haben wir am Vortag den Code für das Sanitärgebäude bekommen und dort dann auch den Knopf zum Einschalten der Sauna gefunden. Mit dem Bezahlen der Hafengebühr bekommt man normalerweise besagten Code, allerdings ist kein Bezahlautomat zu finden, der menschliche Hafenmeister hat noch keine Saison und das auf einer Tafel erwähnte Online-Bezahlsystem kann man nur als Inhaber eines schwedischen Bankkontos bedienen. Folglich: nicht bezahlt, daher auch kein Code. Ein anderer Segler, der abends neben uns festmacht und vor einigen Tagen schon mal hier war, gibt uns netterweise die ersehnte Zahlenkombination. Man muss auch mal Glück haben. Woher er sie allerdings hatte – ohne zu bezahlen – bleibt ein Rätsel.

Am nächsten Tag – Donnerstag/ Himmelfahrt, 26.05. – starten wir mal wieder recht früh. Um 06.00h sind die Leinen los und wir auf dem Weg zu den Ålands, einem Gebiet zwischen Schweden und Finnland, am Eingang des Bottnischen Meerbusens gelegen. Sobald wir den schwedischen Schärengürtel verlassen haben, warten wir auf den vorhergesagten Wind. Erst ist nämlich Ententeich… kaum ein Windhauch ist zu spüren und wir motoren so vor uns hin. Doch dann… das Wasser beginnt, sich leicht zu kräuseln. Noch zu wenig, für unser Schiff, aber es kann nicht mehr lange dauern (auf den „dmi“, unserem favorisierten Wetterbericht, ist Verlass). Wir stehen quasi in den Startlöchern, um die Segel zu setzen. 

Dann endlich – alle Tücher hoch und schön bis vor die Einfahrt in das nach Mariehamn, der Hauptstadt der Ålands, führende Fahrwasser gesegelt. Unterwegs haben wir wieder einen Wassertiefenrekord dokumentieren können: 225m Wasser unter dem Kiel. Und nicht zu vergessen: die Gastlandflagge wird gewechselt. Die Ålands gehören zwar zu Finnland, sind aber autonom, demilitarisiert, haben als Amtssprache schwedisch und eine eigene Regierung. Und sie haben natürlich eine eigene Flagge. Folglich wird rechtzeitig vor dem Einlaufen in den Hafen die schwedische gegen die åländische Gastlandflagge getauscht.  Benannt wurde Mariehamn („Mariahafen“) übrigens nach Maria Alexandrowna, der Gemahlin Zar Alexanders II., der 1861 die Stadt gründete, als Finnland und Åland zum Russischen Kaiserreich gehörten.

Kurz vor Erreichen des åländischen Schärengürtels packen wir die Segel ein, denn jetzt wird es spannend: um ca. 14.00 h Ortszeit wird Mariehamn nämlich von diversen richtig großen Fähren angelaufen. Und da wir an die Zeitumstellung nicht gedacht haben – und daher eigentlich eine Stunde zu spät sind – müssen wir uns das Fahrwasser mit vier dieser Jumbofähren teilen. Und wenn dann auch eine Fähre schon wieder ablegt und eine weitere, fünfte, einläuft, sieht das alles ziemlich eng aus.

Aber nach einigem Zickzack und Warterunden erreichen wir wohlbehalten, aber etwas genervt, den Yachthafen im Westhafen und finden direkt hinter der „Pommern“ eine freie Heckboje  (neben ca. 30 weiteren freien Bojen). Die „Pommern“, ein 1903 gebauter Flying-P-Liner – ähnlich wie die „Passat“ in Travemünde  – liegt hier seit 1957 als Museumsschiff und gilt als einzige vollständig im Originalzustand erhaltene Viermastbark.

Von den 1920er bis in die 1940er Jahre war Mariehamn Heimathafen einer der letzten großen Windjammerflotten. Dazu gehörten mehrere ehemalige, für ihre Geschwindigkeit berühmten Flying-P-Liner, wie die gesunkene „Pamir“ sowie die Schwesterschiffe „Passat“ und „Peking“, die heute als Museumsschiffe in Travemünde beziehungsweise Hamburg liegen – und, man horche auf: die „Kruzenshtern”, gebaut 1926 als „Padua“ (und letzter Flying-P-Liner), die heute noch als russisches Segelschulschiff genutzt wird. 

Nach dem obligatorischen Einlaufdrink versuchen wir, zum Hafenmeister zu gelangen. Garnicht so einfach. Im Hafen ist gewaltiger Trubel… viele Kids machen ihre kleinen Segelboote (Optimisten) zum segeln parat. Die Hafenkante ist ein einziges Gewusel. Für die Kids wohl ein wichtiges Event: nationale Ausscheidungsregatten für internationale Starts stehen an.

Irgendwie schaffen wir es aber dann doch zum Hafenmeister. Endlich mal wieder ein menschliches Exemplar und kein Automat. Und… große Freude… ein kleiner Laden mit Segelkleidung ist dem Hafenbüro angeschlossen und wir machen den „catch of the day“: Segelschuhe für Petra und eine Kappe für Kalli wandern mit an Bord.

Übrigens… nur ein oder zwei Angeln geht hier garnicht. Es müssen mindestens 15-20 sein.

Am Abend werden hier am Hafen tatsächlich seemännische Flaggenbräuche zelebriert: die an einem großen Flaggenmast wehende Finnische Flagge wird um 21.00h eingeholt. Da hier in Mariehamn der Åländische Seglerverein beheimatet ist, kümmert er sich um das Zeremoniell. Wir haben schon mal in einem Hafen erlebt, dass zum Einholen der Flagge Salut trompetet wird. Sehr stimmungsvoll. Das ist dann ein Zeichen an alle Bootsführer, die eigenen Flaggen einzuholen – erst Gastland-, dann Bundesflagge. In den allerwenigsten Häfen wird das so vorgegeben, da niemand da ist, der sich kümmert. Könnte ja ein Hafenmeister erledigen… ist aber heutzutage meistens, wenn überhaupt, zu der Uhrzeit keiner mehr da. Dann hält man sich als Bootsführer eben an gängige Regeln… wie folgt: dazu gehört z.B., dass morgens die Bundesflagge am Heck ausgebracht und abends wieder eingeholt wird. Normalerweise soll sie von 08.00 – 21.00 Uhr (bzw. Sonnenuntergang) wehen, wenn jemand an Bord ist. Doch es ist akzeptierte Sitte, als erste Handlung morgens nach dem Aufstehen die Flagge auszubringen – man darf also auch mal länger als 08.00 Uhr schlafen. Die Feinheiten lasse ich hier mal weg. Man fährt als Bundesflagge natürlich die Flagge des Landes, in dem das Schiff gemeldet ist – in unserem Fall Deutschland. Diese Flagge wird im Segler-Sprachgebrauch auch gerne mal „Adenauer“ genannt – Frau Merkel hat sich da, trotz wirklich langer Kanzlerschaft,  nicht durchsetzten können.

Die Kür kommt dann im Ausland: dort ist es seemännischer Brauch, unter der Steurbord-Saling aus Höflichkeit und Respekt die entsprechende Flagge des gerade besuchten Landes zu setzten – natürlich in kleinerem Maßstab als die am Heck gefahrenen eigene Bundesflagge. Und auch diese Flagge ist morgens nach der Bundesflagge zu setzen und abends vor der Bundesflagge wieder einzuholen. 

Wir sehen hier in Schweden und Finnland leider noch mehr Freizeitskipper als schon in deutschen und dänischen Gewässern, die auf solche Gebräuche keinen Wert (mehr) legen und uns manchmal verdutzt – vielleicht verschämt? – beobachten, wenn wir abends unsere Flaggen einholen. Wir gehören nämlich zu den Seglern, die Wert auf solche Bräuche legen. Wir finden das wichtig und richtig und es gehört für uns zur Seemannschaft! Ich gebe zu, wir sind nicht immer ganz pünktlich… aber der gute Wille ist da! Ach ja, der Grömitz-Stander bzw. unsere „Sail-more-work-less”-Flagge… solche Vereins- bzw. Phantasieflaggen dürfen nur unter der Backbord-Saling gefahren werden. 

Nach dem sommerlichen Abend gibt es am nächsten Morgen (Freitag, 27.05.) mal wieder „Nebel des Grauens“. Da wir eh noch im Ort etwas einkaufen gehen wollen, hat er Zeit, sich aufzulösen. Denn bei Nebel zwischen Felsen und Untiefen hindurchfahren wollen wir auf keinen Fall.

Das mit dem Einkaufsbummel klappt prima, denn der Ort ist vom Hafen aus in akzeptabler Fußmarsch-Entfernung zu erreichen. Und Mariehamn gefällt uns ganz gut: die kurze Fußgängerzone wird von verschiedenen Cafés, kleinen Boutiquen und anderen Geschäften gesäumt und alles macht einen munteren Eindruck. Das mag auch daran liegen, das hier heute, nach dem gestrigen Himmelfahrts-Feiertag, für viele Skandinavier ein Brückentag ist und sie den freien Tag für Shopping oder Kurztrips nutzen. Die Stadt ist geprägt von vielen Holzhäusern, die noch ein wenig den russischen Ursprung erkennen lassen… und von zwei repräsentativen Lindenalleen – gepflanzt um 1900.

In der Stadt ist der Nebel nicht zu merken… die Sonne zeigt sich hier schon wieder und die Außenplätze der Cafés sind gut besetzt. Wir füllen unsere Vorräte für die nächsten Tage, die wir in den Schären verbringen wollen, auf und müssen uns auf dem Rückweg zum Schiff mit etwas Regen – was war das noch gleich? – arrangieren. Auf einen Besuch der „Pommern“ verzichten wir, da grade ein norwegischer Kreuzfahrer festgemacht und seine „Fracht“ in die Stadt und eben zur Besichtigung der Viermastbark „Pommern“ entladen hat.

Am Samstag soll es dann weitergehen. Doch morgens ist es wieder grau in grau, am Horizont (und im Regenradar auf dem iPad) sieht man schon den Regen kommen und Kalli hatte nachts offensichtlich eine Auseinandersetzung mit den ersten Mücken oder sonstigen Stech- oder Beisstieren. Einige Bisse rufen nach Kühlung und spezieller Medizin gegen die hier ansässigen Viecher. Wir wandern also nochmal ins Städtchen… Kalli zur Apotheke, ich zum Lebensmittelladen (wir hatten, trotz Einkaufszettel, natürlich was vergessen). 

Am frühen Nachmittag – es hat sich inzwischen ordentlich eingeregnet – holen wir dann die „Pommern“-Besichtigung nach. Es ist schon ein beeindruckendes Schiff. Die Wohn-, Schlaf- und Arbeitsräume sind alle anschaulich dargestellt und wir wollen uns lieber nicht vorstellen, wie es damals hier zuging. Allerdings: der Laderaum ist, bis auf ganz wenige Schautafeln, zwar toll restauriert, aber fast völlig leer. Sound- und Lichteffekte sollen eine Sturmfahrt erlebbar machen… hmmm… naja…

Wir haben schon mehrmals die „Passat“ in Travemünde besucht und müssen sagen: dort fühlen wir uns besser in die harte Zeit der damaligen Seefahrt mitgenommen. Man folgt dort in einer aufwändigen Ausstellung den Tagebucheinträgen eines Schiffsjungen und  kann den harten Bordalltag wirklich spüren.

Hier auf der „Pommern“ sind wir irgendwie alleine. Und zudem ist der Eintrittspreis mit 15€ auch eine Ansage – man kann dann allerdings auch das Seefahrtsmuseum besuchen. Die Besichtigung der Passat kostet 7€.

Der Sonntagmorgen begrüßt uns… leider mit vielen Wolken. Doch wenigstens hat der Regen aufgehört. Wir machen uns auf den Weg durch die åländischen Schären gen Osten. Glücklicherweise kommen uns bei der Ausfahrt aus Mariehamn keine Fähren in die Quere – aber dann später zwischen den Schären. Mist. Es ist ja wirklich ganz nett hier – wobei die Schären flacher sind als die in Schweden – nur die vielen Fähren nerven ein wenig. Das Fahrwasser ist natürlich breit genug – tief genug sowieso – doch so ne blöde Fähre kommt einem aus irgendeinem unerfindlichen Grund immer an der engsten Stelle entgegen oder hinterher. Das es hier viele Fährverbindungen gibt, ist ja zu verstehen. Das kennen wir auch aus Schweden. Nur hier fahren erstaunlich viele Jumbo-Fähren permanent hin und her – z.B. von Mariehamn nach Turku und Helsinki… und deren Kurs führt quer durch das Schärengebiet. Und dann werden auch noch diverse kürzere Verbindungen mit etwas kleineren Fähren bedient. Wirklich ganz ordentlich Verkehr hier.

Wir wurschteln uns so zwischen Fähren und Felsen durch und werden dann an unserem Zielhafen tatsächlich durchgewunken… kaum sind wir fest, kommt ein wild winkender Mann auf den Steg gelaufen: „closed, closed… the harbour is closed“! Also Leinen wieder losgemacht und um die Ecke in den zweiten Hafen des kleinen Ortes Degerby. Doch dort gefällt es uns überhaupt nicht. Nach 10 min. sind die Leinen erneut los und wir auf dem Weg noch 13sm weiter nach Sottunga. Was für ein Glück! 

Ein kleiner Steg, ein kleines Sanitärgebäude, ein kleiner Fähranleger, ein kleiner Ort – die kleinste Gemeinde ganz Finnlands – und ein kleines Restaurant, das erst seit Donnerstag für die Saison eröffnet hat. Bravo. Passt alles! Wir sind happy, die Hafenmeisterfamilie (und Restaurantbetreiber) sind super nett und wir haben einen schönen Abend. Wir bewerten diesen Hafen als einen der gemütlichsten auf unserer bisherigen Reise. 

Und daher bleiben wir erstmal noch hier. Erstens ist es schön hier und nicht soviel Trubel wie in Mariehamn, zweitens wollen wir ein wenig die Insel erwandern und drittens soll das Wetter wieder regnerisch werden und da wollen wir nicht segelnd unterwegs sein. Wir sind ein wenig verwöhnt… Regen – unterwegs – hatten wir bisher nicht und wollen wir auch nicht.

Ein ganz relaxter Tag – Logbuch schreiben, etwas wandern… und abends wieder die Kochkünste im Restaurant genießen. Der Tag geht ganz friedlich zu Ende… mit fantastischer Abendstimmung. Nichts läßt erahnen, dass für morgen Dauerregen angesagt ist. Also genießen.

Am nächsten Tag verlegen wir uns in einer Regenpause an einen anderen Platz, denn der Wind soll mächtig aufdrehen… da wollen wir optimal liegen. Die Sauna dürfen wir heute sogar kostenfrei nutzen. Da die Liegegebühr hier so preiswert ist, wird Sauna extra berechnet. In den anderen Häfen war Sauna inklusive – aber eben die Hafengebühr auch deutlich höher. Und da wir nun schon mehrfach Hafengebühr bezahlt haben – und im Restaurant zum Essen waren – bekommen wir „Saunarabatt“. Wie nett!

Und noch ein Tag in Sottunga – es bläst aus Süden mit 6Bft und reizt nicht zum ablegen. Ich nutze die Zeit, um mal wieder einige Schlüsselanhänger zu basteln. Der Hafenmeister freut sich – er bekommt einen zum Abschied geschenkt.

Stay tuned and keep watching!

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