Unterwegs in Richtung Vaasa

Etappen Uusikaupunki – Kylmäpihlaja (immer noch)

09. – 13. Juni 2022

Am Abend vor unserer Weiterfahrt kommen wir nett mit einem finnischen Schiffsnachbarn ins Gespräch. Er beruhigt uns ein wenig hinsichtlich der Tiefenangaben in den Seekarten. Er meint, die offiziellen Seekarten sind äußerst konservativ vermaßt – die tatsächliche Tiefe sei immer ca. 30-40 cm mehr. Realistischer seien die Hafenpläne, wenn es denn Unterschiede gäbe. So seine Erfahrung. Na gut… wir werden sehen. Seine Aussage bestätigt allerdings auch ein bisschen unsere bisherigen Erfahrungen an flachen Stellen. Da war immer mehr Meer-Wasser unterm Kiel, als in der Seekarte angegeben.

Übrigens scheinen wir in Uusikaupunki z.Zt. das einzige deutsche Schiff zu sein. Bei unserer Ankunft wehte am Hafen nur die Finnische Flagge, kurze Zeit später auch die Deutsche. Wie nett, dass sich da jemand kümmert und die guten Sitten pflegt. Danke!

Inzwischen haben wir auch einen weiteren Seglertipp in die Tat umgesetzt. Es gibt von der finnischen Telefongesellschaft Elisa eine Prepaid-Datenkarte zum monatlichen Super-Sonderpreis für unbegrenztesDatenvolumen. Und da doch manchmal das WLAN-Angebot – speziell in sehr kleinen Häfen oder vor Anker – doch nicht so prickelnd ist, wie für Finnland vermutet, haben wir jetzt so eine Karte erstanden. Denn Telefonverbindung, meistens 5G, hatten wir immer. Danke an Dieter von der „Carpe Diem“.

Ach, und noch was: Laurie und Karen, die DiscGolfer, haben sich nochmal bei uns gemeldet und berichtet, dass sie es mit ihrem Vorhaben, 40 DiscGolf-Kurse zu spielen, sogar auf die erste Seite der Åländischen Tageszeitung geschafft haben. Gratulation!🥂🥏🏆

Vor der nächsten Etappe wird die Schiffstankstelle aufgesucht. Die Tankstellendichte ist zwar ausreichend, doch besser, beizeiten den Tank vollfüllen, wenn es grad passt. Dabei haben wir gleich wieder ein Erlebnis bezüglich Wassertiefe. Am Tanksteg steht: Tiefe 1,90m bis 2,20m. Wir benötigen min. 2,0m. Wir fahren folglich sehr vorsichtig zum Steg, jederzeit bereit zum Aufstoppen bzw. zur Rückwärtsfahrt. Wind ist kaum, also beste Voraussetzungen. Der Blick auf unser Echolot nach dem Festmachen am Tanksteg zeigt uns beruhigende 2,70m! Kann das denn nicht etwas genauer angegeben werden??

Der Segeltag bis zu unserem nächsten Ziel wirkt sich sehr positiv auf unsere Segelbilanz aus. Sogar das Großsegel hat mal richtig zu tun: bei inzwischen angenehmen 3Bft aus Südwest schiebt es uns durch die hier nicht mehr ganz so enge Schärenlandschaft. Der dem Festland vorgelagerte Schärengürtel wird deutlich schmaler, es gibt immer wieder zum Meer richtig offene Bereiche, was man an mehr Wellengang spürt. Die Felsen laufen auch deutlich flacher ins Meer, was wiederum flachere Fahrwasser und flachere Häfen bedeutet. Es gibt viele kleine Anlegestellen, die nur mit 1,50m Wassertiefe angegeben sind. Und das ist nun wirklich bei weitem zu wenig für uns. Und wenn es dann doch nochmal ein Nebenfahrwasser gibt, wählen wir lieber den Hauptweg mit mehr Wassertiefe.

Wir kommen wohlbehalten, und von einer WebCam gefilmt, in Kylmäpihlaja (wieder so ein Zungenbrecher-Name) an und können unser Glück kaum fassen: nach einem kurzen Rundgang über die Insel ist kurze Zeit später die Hafeneinfahrt kaum noch sehen. Dichter Nebel. Den hätten wir unterwegs nicht haben wollen! 

Kylmäpihlaja ist eine ehemalige Lotseninsel, nur wenige Seemeilen Rauma vorgelagert. 

In den Jahren 1952-53 wurden hier ein kombinierter Leuchtturm mit Lotsenstation gebaut und ersetzte das Rauma-Leuchtturmschiff, das dann vor Kemi (ganz im äußersten Norden) verlegt wurde. Es gibt ein ordentlich tiefes Hafenbecken (4m) und inzwischen ein kleines Restaurant im Turm und ganz ganz viele Gänseküken. Auf Stadt – naja, eher Kleinstadt – hatten wir erstmal keine Lust. Und Rauma (ca. 39.000 Einwohner) ist doppelt so groß wie Uusikaupunki (ca. 15.500 Einwohner) und eigentlich einen Besuch wert. Finnlands drittälteste Stadt wurde 1442 gegründet und ist heute für ihre hölzerne Altstadt bekannt. Die Häuser, die allesamt historische Namen tragen, weisen teilweise reich verzierte Fassaden auf. Der verwinkelte Grundriss geht auf das Mittelalter zurück. Während andere Holzhausviertel in Finnland meist Feuersbrünsten zum Opfer fielen, ist die Altstadt von Rauma seit 1682 von Bränden verschont geblieben und daher außergewöhnlich gut erhalten. Mal schauen, vielleicht fahren wir noch hin.

Am nächsten Morgen um 6 Uhr – wir wollen die Windvorhersage checken und uns für die Weiterfahrt bereit machen –  hüllt sich die ganze Insel und auch alles drumherum weiterhin in dichten Nebel. Die WebCam bestätigt: Sicht gleich Null! Also wieder Schlafen gehen. Der Nebel hält sich auch leider bis zum späten Vormittag hartnäckig, sodass wir nicht mehr ablegen. Es ist eh absolute Flaute und wir hätten den ganzen Tag motoren müssen. Allerdings bedeutet das auch, dass wir vermutlich noch zwei Tage hier bleiben werden. Denn es ist für den nächsten Tag Starkwind aus südlicher Richtung vorhergesagt. Und die in Frage kommenden Häfen, die uns sowohl genügend Wassertiefe als auch genügende Schutz vor starken südlichen Winden bieten, sind ein ordentliches Stück weg. 

Wir umwandern ausgiebig die Insel, was allerdings auf Grund ihrer geringen Größe schnell geschehen ist. Einige Bereiche sind abgesperrt mit der Bitte um Rücksicht auf die brütenden Vögel. Man merkt auch gleich, wenn man einem Nest – liegen ja nicht alle hinter den Absperrungen – doch zu nahe kommt: sogleich werden Angriffe geflogen. Das kennen wir schon von Isokari. Netterweise wandern die Gänseeltern (die sind deutlich entspannter als die hektischen Möweneltern) mit ihrem Nachwuchs auch direkt am Hafen entlang – die verstehen eben auch kein Finnisch und halten sich daher nicht an die Absperrungen. Für uns niedlich anzuschauen! Diese eher kleinere Gänseart – Weißwangengänse – brüteten ursprünglich nur auf Spitzbergen und Grönland. Erst Anfang der 80er Jahren siedelten sie sich auch in Finnland an.

Am frühen Nachmittag füllt sich dann der Hafen mit einigen Segelschiffen und diversen kleinen vollbesetzten Motorbooten, die nur den kurzen Weg aus Rauma zu fahren haben. Letztere kommen auch nur für einen lustigen Grillnachmittag und fahren danach wieder heim. Bis Rauma sind es nur ca. 6 sm, und die sind mit einem Motorboot schnell erledigt. Das neue Grillhaus ist zwar für die Saison noch nicht ganz parat, aber das Wetter verlangt auch nicht nach einem Dach über der Grillroste.

Überhaupt sind die Finnen mit ihren Saisonvorbereitungen in den Häfen noch nicht wirklich weit. OK, die Saison beginnt hier erst Ende Juni richtig, aber man könnte auch sagen: es sieht an vielen Plätzen irgendwie etwas rödelig aus. Da ist schon länger nicht Hand angelegt worden. Vielleicht gehören die Finnen deshalb auch zu den glücklichsten Menschen weltweit. Wenn da was liegt, was da nicht hingehört… 🤷‍♀️🤷‍♂️… dann liegt da halt was, was da nicht hingehört. Nimm’s doch gelassen… funktioniert auch so 🇫🇮

Es bläst und bläst und bläst… der Hafen ist ideal für den herrschenden Starkwind aus Süden, doch wann hört der Wind endlich auf zu blasen? Die Sonne scheint aus allen Knopflöchern, und der Wind bläst heftig aus selbigen, aber an eine Weiterfahrt ist nicht zu denken. Eigentlich wäre die Windrichtung für uns prima, aber es hat sich inzwischen solch eine Welle aufgebaut, dass ein Ablegen wirklich nicht an erster Stelle steht. Jedenfalls nicht für uns. Die Crew der “Workout“ (Zora + Lutz) ist da härter im nehmen und macht sich auf den Weg. Wir verabschieden sie mit einem Ständchen (Akkordeon mit Gesang) und guten Wünschen und legen selber aber nicht ab. Uns sieht die Welle viel zu unangenehm aus, was wir später von den Beiden auch bestätigt bekommen. O-Ton Lutz: Wellenrodeo. Also abwarten und weiter Gänseküken beobachten. Inzwischen kennen wir die nächsten Häfen schon ganz gut mit Namen, da das tägliche Wetter-Hafen-Tetris uns immer wieder neue Kurse und Ziele überdenken läßt. Aber ohne halbwegs passenden Wind – mindestens bezüglich Stärke – geht garnichts.

Seit wir die Schären der Ålands verlassen und an der finnischen Küste angekommen sind, stossen wir auf ganz neue Herausforderungen: der vorgesehene Kurs ist ständig nach Norden. Und bei der weiteren Etappenplanung müssen viele Faktoren aufeinander abgestimmt werden: Länge der Etappe, Windrichtung zum nächsten Etappenziel, Lage des nächsten Hafens und sein Schutz vor Starkwind aus der angesagten Richtung, Wassertiefe im Hafen selbst und Wassertiefe in der Hafenzufahrt (ist manchmal, lt Handbuch, flacher als im Hafen selbst…??).

Hier ein Beispiel: wir liegen in Hafen A und wollen weiter nach Norden. Möglichst nicht weiter als 30sm – das sind im Durchschnitt 6 Stunden. Kräftiger Wind aus Süd seit Tagen bedeutet viel nachlaufende Welle. Der Wind soll aber am nächsten Tag auf NordWest drehen und dann hätten wir ihn gegen an und das wäre dann für unsere Weiterfahrt auch ziemlich blöd.

Wir suchen also im Umkreis von max. 30sm einen geeigneten Anlegeplatz. Ersten Hafen in 22sm gefunden. Tiefe so an der Grenze (wie schon gesagt: die Angaben sind oft widersprüchlich). Laut Hafenhandbuch nach NW offen. Also kein Treffer. Nächster Hafen 31sm. Zufahrt in den Hafen 1,2m (wir haben 2m Tiefgang). Nur vor der Einfahrt ist ein Liegen an der Mole längsseits möglich. Ansonsten ok. Wind ist heute immer noch stark aus SüdWest – wie seit Tagen. Heisst: draussen steht eine ordentliche Welle. Nicht so angenehm. Der Wetterbericht sagt ab Nachmittag stark abnehmenden Wind voraus – allerdings nur bis morgen Mittag, dann soll er auf NordWest drehen. Die Welle wird aber noch ein wenig Zeit brauchen, um sich zu beruhigen.

Ist dies vielleicht die Lösung?? Ganz früh ablegen, so ca. 3 Uhr. Da ist es hier schon richtig hell. Die Welle hat sich dann hoffentlich beruhigt, der Wind soll deutlich schwächer sein und erst gegen Mittag zunehmen und auf NW gehen. Bis dahin sollten wir aber locker angekommen sein – so gegen 9-10 Uhr. Und an den beiden darauffolgenden Tagen werden wir wieder Hafentage einplanen müssen, weil Starkwind (6 Bft) aus Norden angesagt ist.

Und dann fängt das Wetter-Hafen-Tetris wieder von vorne an 🤷‍♂️🤷‍♀️🤬

Der Bottnische Meerbusen besteht übrigens quasi aus zwei Becken, die von der Meerenge Kvarken getrennt werden: die Bottensee im Süden – von den Ålands bis Vaasa – und darüber die Bottenwiek im Norden. Der Salzgehalt nimmt von Süden nach Norden hin ab. In der Bottensee liegt der Salzgehalt niedrig genug, um von Brackwasser zu sprechen, das Wasser der Bottenwiek ist praktisch Süßwasser. Daher kommen dort auch Süßwasserfische wie Hecht und Barsch vor.

In uns reift langsam der Plan, evtl. bei Vaasa die oben beschriebene Meerenge zu queren und auf die schwedische Seite der Bottenwiek zu wechseln. Hier sind doch mehr „passende“ Häfen, kleine Gästebrücken oder geschützte Ankerbuchten – evtl. mit den von uns geschätzten blauen Bojen der schwedischen Seglervereinigung – in akzeptabler Entfernung zu finden.

Mal schauen…

Stay tuned and keep watching!

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