Etappen Ystad – Gislövsläge – Klintholm
03. – 11. September 2022
Ystadt präsentiert sich im samstäglichen Sonnenschein als lebendige Stadt. Viele kleine Geschäfte laden zum stöbern, ein großer Platz vor der Sankt-Marien-Kirche (aus dem 13. Jahrhundert) bietet Marktstände und Musik, die besterhaltene Klosteranlage Schwedens lockt mit schönem Klostergarten, es gibt viel Kunsthandwerk und glücklicherweise einen genialen Schiffsausstatter, bei dem man wirklich alles findet. Also, wo ist das Problem? Interessant ist auch, dass die vielen Bänke und Sitzplätze, die überall in der Stadt und auch am Hafen aufgestellt sind, sehr gut besucht sind. Die Schweden sitzen hier – mit Picknicktasche oder nur einem Kaffee – und klönen… und begrüßen den einen oder anderen, auch fremden, Fußgänger. Man trifft sich hier offensichtlich gerne draussen – wenn das Wetter es zuläßt. Und das tut es! Den kräftigen Wind spürt man in der Stadt überhaupt nicht.














Die Wetterentwicklung präsentiert sich äußerst ungewöhnlich und wirklich seltsam… es bläst seit Tagen kräftig aus Osten, das Barometer ist wie festgetackert und zeigt permanent den nahezu gleichen Luftdruck an (immer so um und bei 1024 hPa), es ist sonnig und kaum eine Wolke am Himmel… was soll das werden?
Am Sonntagabend (04.09.) setzten wir uns mit einigen Seglern, die wir in der letzten Zeit immer mal wieder in dem einen oder anderen Hafen getroffen haben, bei uns an Bord zusammen. Aktuell liegen wir alle direkt nebeneinander und langsam füllt sich der Hafen mit weiteren, meist deutschen, Yachten auf Kurs gen Heimat. Wir alle sind hier in Ystad „gestrandet“ und versuchen, aus den verschiedenen Wetterberichten einen Termin zur Weiterfahrt herauszulesen. Vermutlich trennen sich unsere Wege jetzt so langsam, denn die finalen Zielhäfen sind verschieden und daher auch die zu fahrenden Kurse. Allerdings müssen wir erstmal loskommen. Und: der eine mag mehr Wind, der andere lieber weniger Welle.
Wir laden zum abendlichen get-together, einer Art Abschieds-Klönschnack. Jeder erzählt ein bisschen von seinen letzten Monaten auf See: Nicole+Fabian (Annie Way) von den verschiedensten technischen Problemen, die zu einem völlig anderen als dem ursprünglich geplanten Törnverlauf führten, Christine+Thomas (Cyele) von ihrer entspannten Zeit in Helsinki und den Turku-Schären, Ulli (Inkognito) von ruhigen Ankerbuchten und Reparatureinsätzen auf eigenem und anderen Schiffen und wir (Pilgrim) von flachen Häfen und durch Eisgang verschwundener Betonnung im Bottnischen Meerbusen.
Bei all den netten Gesprächen… das passende Wetter findet sich nicht. Doch zumindest wir stellen uns den Wecker auf 06h, um am nächsten morgen auf Grund einer möglichst aktuellen Vorhersage neu zu entscheiden: Ablegen oder nicht… das ist wiedermal die Frage. Wir – und auch Cyele und Annie Way – entscheiden uns für „nicht“, Inkognito (Ulli) hingegen für Ablegen. Er kommt nach gut 8 Stunden Rauschefahrt, allerdings viel Welle (auch der einen oder anderen, die über das Schiff geht) und die ganze Zeit selbst am Ruder stehend (zu viel Welle für den Autopiloten, er bricht!) glücklicherweise wohlbehalten, aber vermutlich reichlich geschafft, in Klintholm an.

Wir hingegen verbringen den Tag spazierend durch die Stadt inkl. Besichtigung der großen Marien-Kirche, dem Klostergarten und einem weiteren Besuch beim Schiffsausstatter – eine neue Bastelidee wurde geboren. Und bei vermutlich noch mindestens einem weiteren Hafentag besteht die Chance, diese auch zu vollenden.





Von wegen: „Morgens um 7 ist die Welt noch in Ordnung“… wir schauen raus und gleich wieder weg (Dienstag, 06.09.).Trotz eines hellen Streifens am Horizont… die aufziehenden dunklen Wolken verheißen nichts Gutes. Doch vielleicht… eventuell… morgen ganz früh? Einige größere Schiffe – meist Charteryachten mit 4-8 Personen an Bord – legen ab und lassen uns unsere Entscheidung überdenken. Könnte es vielleicht doch gehen? So wie bei Ulli? Und der war alleine!! Aber die heute deutlich kühleren Temperaturen in Kombination mit der Aussicht auf 8-10 Stunden Wellenrodeo… ach nö, danke. Doch lieber erstmal Frühstücken und dann fertig basteln. Und außerdem: wir wissen ja nicht, wo die „Ableger“ hin wollen. Vielleicht nur eine kurze Etappe ums Eck? Und dann beginnt es auch noch ein ganz wenig zu stippern… (= ganz leicht zu regnen)… aber nur kurz. Womöglich nähert sich der Sommer jetzt doch mit großen Schritten dem Ende zu und die Gefahr wächst, dass jeden Moment „Last Christmas“ im Radio ertönt. Bitte bitte, noch etwas Sommer!
Wobei… noch haben wir 33°C: Luft 18°C, Wasser 15°C 😉.




Mittwoch (07.09.) ist doch nichts mit ganz früh ablegen. Wieder mehr Wind… und es wird sukzessive mehr. Und auch unser Barograph zeigt inzwischen, was wir schon länger erwartet haben: erst ist er noch gaanz langsam bis auf 1030 hPa gestiegen, jetzt steht die Anzeige auf 1012 hPa und fällt langsam weiter. Die erhoffte nächtliche Wind-Beruhigung hält nicht so lange an, wie gestern noch prognostiziert. Jetzt zeigt die Vorhersage der verschiedenen Wettermodelle wieder 6 Bft für heute und 7-9 Bft (!) für die nächsten zwei Tage!! Und das nicht nur hier in Ystad, sondern in dem gesamten Gebiet von Fehmarn bis über Bornholm hinaus. Und sie sagen auch alle eine Wellenhöhe von min. 3,5m an. Ist ja aber auch kein Wunder, da der Wind, der nun schon reichlich lange aus Osten bläst, viel Zeit hatte, das von Osten freie Wasser entsprechend aufzutürmen.
Generell ist nämlich die Wellenhöhe vom Wind bestimmt. Bei Windstärke 4 Bft kann man mit ca. 0,5m Wellenhöhe rechnen. Bei 7 Bft können das dann schon 4m werden. Zudem beeinflusst auch die Entfernung zum Land und die Dauer des wehenden Windes über Wasser die Wellenhöhe. Denn Wellen bauen sich bei aufkommendem Wind aufgrund der Trägheit des Wassers erst allmählich auf. Wenn z.B. bei einem Gewitter heftige Böen durchziehen, gibt es kaum große Wellen, da die Dauer des starken Windes zu kurz ist. Daher ist es auch einleuchtend, daß nur ein langer Weg des Windes über das Wasser (wird „Fetch“ genannt) auch eine hohe See aufbauen kann. In der Ostsee treten, auf Grund der relativ geringen Tiefe dieses Seegebietes, eher kleinere, dafür aber steilere Wellen auf. Dabei ist eine steile Welle mit 1,5m viel unangenehmer als eine flachere, aber höhere Welle mit 5m Höhe (wie z.B. auf dem deutlich tieferen Atlantik). Und aktuell sind 4m-Wellen vorhergesagt – kurz und richtig unangenehm bis gefährlich.


hier bedeutet Dunkelorange 3,5 m
Am Abend wird Burnout-Prophylaxe betrieben. Man könnte auch sagen: fröhliches Beisammensein bei Chips und Nüssen gegen den Hafenkoller. Bei diesem geselligen Treffen der jetzt um Ulli geschrumpften kleinen Gruppe, kristallisiert sich langsam der kommende Samstag als eventuell möglicher Abfahrtstag heraus. Ob das nun an Wein und Bier oder den hoffnungsvoll interpretierten Windvorhersagen liegt… wir werden es am Samstag wissen. Beim Heimweg auf unser Schiff können wir den aufkommenden Wind jedenfalls schon hören. Ein leichtes Pfeifen und surren liegt über dem Hafen…
Und morgens ist er da, der angesagte Starkwind (Donnerstag, 08.09.). Draußen auf dem Meer sieht man überall weiße Schaumkronen. Die Wellen werden höher, einige Wellenkämme brechen und hinterlassen größere weiße Schaumflächen. Es sieht irgendwie beeindruckend – ja… schön aus. Nur dort draußen sein wollen wir nicht. Der Wind drückt Schwell in den eigentlich geschützten Hafen und die Schiffe tanzen an ihren Plätzen hin und her. Die Sonne scheint und im Cockpit, hinter der Sprayhood versteckt, ist es gemütlich auszuhalten. Man muss nur etwas lauter reden, denn der Wind macht inzwischen ein ordentliches Getöse. Er braust durch den Hafen, hier und da knarzt eine Leine, klappert ein Fall am Mast. Hafenromantik… bei bis zu 38 kn Wind – gemessen im Hafen – das sind gut 8 Bft! Draußen auf See bläst es dann mindestens mit einer Windstärke mehr.
Der Yachthafen ist so organisiert, dass meist zwei Schiffe in der Box zwischen den Stegauslegern Platz finden können. Das ist ganz praktisch, denn man kann dann entweder über den Bug oder auch zu einer Seite das Schiff verlassen. In der aktuellen Nachsaison hat sich jeder Gast eine eigene Box geschnappt und damit besteht auch keine Gefahr, dass die Schiffe, wenn sie jetzt durch Wind und Welle so hin und her schaukeln, ggf. mit den Masten zusammenstoßen. Das könnte sonst evtl. passieren. Zusätzlich haben einige – wir auch – doch noch eine weitere Leine an den Hauptsteg ausgebracht… man weiß ja nie, wie stabil die Ausleger sind.







Über Nacht schüttet es wie doll bei nach wie vor stürmischem Wind. Doch gen Vormittag verabschiedet sich der Regen, und läßt uns „nur“ rundum grauen Himmel zurück. Der Luftdruck hat seinen Tiefpunkt mit 1009 hPa erreicht und macht sich langsam auf, wieder einen höheren Wert auf dem Barograph anzuzeigen. Gen Mittag zeigt sich auch die Sonne und wir nutzen das wieder sommerliche Wetter, um noch schnell einige Vorräte aufzufüllen – morgen soll es nun endlich weitergehen. Dann die Wassertanks füllen… war noch was? Noch etwas vergessen? Bei so vielen Hafentagen kommt man ganz aus der Übung. Nee, alles erledigt, auch die Route für morgen steht.
Wecker 04.45h – um 06h (Samstag, 10.09.) geht es weiter! Nach 8 (in Worten: acht) Nächten in Ystad endlich ablegen. Erst begleiten uns noch dunkle Wolken, doch dann zeigt sich die Sonne. Das ändert aber nichts an der heftigen Rollerei auf unserem Kurs. Die Welle der letzten Tage hat sich zwar erheblich beruhigt, kommt allerdings von schräg seitwärts hinter uns her und läßt dabei unser Schiff immer blöd hin und her schaukeln… immer schön von der einen auf die andere Seite. Wir probieren es mit verschiedenen Kursänderungen, um die Welle günstiger zu bekommen, allerdings mit mäßigem Erfolg. Nach einiger Zeit entscheiden wir uns für einen anderen Zielhafen. Nicht Klintholm (schon Dänemark) sondern Gislövsläge (noch Südküste Schweden, der Yachthafen Trelleborgs direkt neben dem Fährhafen) soll es jetzt sein. Das ändert zwar kaum etwas an der Schaukelei, ist aber eine deutlich kürzere Strecke. Soll sich die blöde Welle einfach noch einen weiteren Tag beruhigen.


ein Sonnenaufgang werden



Nach Gislövsläge rein ist es zwar reichlich flach, aber daran müssen wir uns in den nächsten Tagen eh wieder gewöhnen… in Dänemark ist die Ostsee nicht so tief. Wir legen uns gemütlich längs an die Mole hinter einige Fischerboote. Die vorhandenen Boxenplätze – hier gibt es wieder Dalben – sind alle zu schmal für uns. Schnell noch Landstrom gelegt und dabei eine Stromsäule mit reichlich Guthaben gefunden. Prima, also nur einfache Hafengebühr gezahlt. Dann Einlaufdrink und erstmal ein kurzes Nickerchen. Der Rundgang durch den kleinen Ort muß warten… ist dann aber später auch schnell erledigt. Das eigentliche Dorf Gislöv – mit Kirche aus dem 13. Jahrhundert – liegt etwas weiter nördlich als der Hafen und bis dahin gehen wir dann aber doch nicht. Wir bleiben im Fischerdorf Gislöv Läge, eine Art Vorposten des Dorfes und die Fischer pendelten früher hin und her. Nur vom Fischfang konnten sie schon damals nicht überleben und waren auf Nebenjobs bei den Bauern im Hauptort angewiesen. Hier im Fischerdorf sind die kleinen alten Häuser alle umgebaut und modernisiert und von Neubauten umgeben – die Nähe zu Trelleborg zieht viele Städter aufs Land. Die Gassen sind eng und verschlungen und viele Häuser auch hübsch hergerichtet. Einige der kleinen Fischerhütten direkt am Hafen werden noch von wenigen Hobbyfischern genutzt, die meisten dienen als Abstellraum oder Mini-Feriendomizil mit Hafen- bzw. Meerblick.





Der Nachmittagshimmel zeigt sich düster… dunkle Gewitterwolken drohen und es kommen noch rechtzeitig einige Segler in den Hafen. Gewitter auf See ist immer unheimlich. Die Wolken türmen sich heftig, doch wir bleiben verschont… das Gewitter zieht vorbei.


hinter‘m Häuschen der Mast ist unser

Am Abend überlegen wir, welche nächsten Ziele möglich sind: vielleicht nach Rødvig, dann durch den Bøgestrøm nach Kalvehave und weiter ins Smålandsfahrwasser? Oder nach Klintholm und dann durch den Grønsund wie zu Beginn unserer Reise? Der Bøgestrøm ist ein recht flaches Fahrwasser nördlich der Insel Mön, durch dass man mit 2m Tiefgang tunlichst nur bei ruhigem Wetter fahren sollte. Viele Bereiche sind nämlich nur 2,2m tief und es ist ratsam, genau der Betonnung zu folgen. Allerdings müssen zwei Brücken passiert werden, von denen eine nur 20m Durchfahrtshöhe hat. Wir brauchen 18,8m – plus Länge der Funkantenne. Könnte passen… Kalli hat eine unruhige Nacht und so wählen wir am morgen (10.09.) doch lieber den uns bekannten Kurs nach Klintholm.
Es wird eine leider etwas trübe Überfahrt nach Dänemark. Die bisher immer irgendwo zwischen Wolken hindurch lunsende Sonne versteckt sich lange Zeit erfolgreich. Eine lange Motorfahrt, wenig Sonne, wenig Wind, immer geradeaus… Unterwegs nur eine kurze Kurs-Abstimmung über Funk mit einem Frachter… paßt aber alles (nachdem wir ein wenig ausgewichen sind). Und dann steht mal wieder Flaggenwechsel an. Hejdå Sverige 🇸🇪war wiedermal schön – velkommen danmark 🇩🇰 bitte nicht so trübes Wetter.



sonst kann es in die Hose geh‘n 🤓






In Klintholm stellen wir fest, dass der Steg, an dem wir zu Beginn der Saison noch festgemacht hatten, jetzt wohl neu gebaut wird. Guter Plan, wird auch Zeit. Da aber bisher nur 8 Schiffe im Hafen liegen, haben wir die (beinahe) freie Auswahl. Längs ist angesagt – mit freier Aussicht auf Steinmole, Ostsee und Wolkengebilde…


jetzt wird er wohl neu gemacht


Stay tuned and keep watching