Dänische Südsee mit Sonne-Regen-Gewitter-Mix

Wir haben einige Tage Zeit, Fåborg besser zu erkunden… ein Mix aus Sonne, Regen, Gewitter, Sturm… und wieder Sonne… und wieder Regen… hält uns erfolgreich mehrere Tage von einer Weiterfahrt ab. Dabei müssen wir genau auf die beim Spaziergang zurückzulegenden Wegstrecken achten, denn der nächste Regen kommt bestimmt. Aber der kleine Ort bietet einiges für einen längeren Aufenthalt: Museen, Ausstellungen, Flohmarkt, einen guten Schiffsausstatter, verschiedene Restaurants und Imbissbuden direkt am Hafen… man kann es hier gut aushalten.

Irgendwie scheint an der alten Bauernregel vom Siebenschläfer was dran zu sein. Am 27. Juni war regnerisches Wetter und nun eben auch.

„Das Wetter am Siebenschläfertag noch sieben Wochen bleiben mag“ oder gerne auch „Ist der Siebenschläfer nass, regnet’s ohne Unterlass“.

Doch Achtung: durch die gregorianische Kalenderreform müsste der Siebenschläfertag heute eigentlich auf dem 07. Juli liegen. Das nimmt er aber nicht so genau 😜. Seinen Namen hat der Siebenschläfertag von einer alten Legende, die besagt, dass sieben Brüder 251 n.Chr. vor der Christenverfolgung in eine Höhle bei Ephesus flohen. Die Verfolger fanden sie aber und mauerten sie dort ein. Die Brüder fielen darauf in einen tiefen Schlaf. Als die Höhle 195 Jahre später entdeckt wurde, erwachten sie, um ihren Glauben an die Auferstehung zu bekennen und starben kurz danach.

Die Siebenschläfer-Regel beschreibt erstaunlich zuverlässig das Wettergeschehen ab Ende Juni. Der Grund dafür findet sich in einer Besonderheit der Erdatmosphäre. In ca. 10km Höhe windet sich ein schmales Starkwindband um die Nordhalbkugel, der sogenannte Jetstream. Aus physikalischen Gründen kann er nicht einfach geradeaus wehen, sondern muss sich im Zickzack um die Erde winden. In einer nach Norden gerichteten Ausbuchtung nimmt dann ein Hochdruckgebiet seinen Platz ein, in einer nach Süden gerichteten Zacke ein Tiefdruckgebiet. Der genaue Verlauf des Jetstreams ändert sich ständig, doch bleibt er im Hochwinter und -sommer oft für einige Wochen recht konstant. Ende Juni bis Anfang Juli, zum Datum des Siebenschläfers, hat er häufig seinen Verlauf für den Sommer gefunden. Das Wettergeschehen hängt nun davon ab, ob der Starkwind in einer Nord- oder Südkurve über Europa hinwegzieht. Südkurve bedeutet Tiefdruck und unbeständiges Wetter, Nordkurve dagegen Hochdruck und meist Sonnenschein. Über uns zieht offensichtlich eine südlich gerichtete Kurve hinweg. Übrigens liegt die Trefferquote der Bauernregel bei 60-70%. Im Süden Deutschlands ist sie etwas besser, in Norddeutschland, wo das Klima stark von Ost- und Nordsee beeinflusst ist, liegt sie etwas niedriger.

Am Mittwoch, den 19. Juli, soll es nun endlich mal weitergehen. Immerhin brauchen wir für die letzte Nacht keine Hafengebühr bezahlen: jede 5. Nacht ist in Fåborg frei! Das ist doch mal was. Der Wind soll sich für einen Tag etwas beruhigen – sagt die Vorhersage – und soll dann wieder mit mindestens 6 Bft. über uns hinwegziehen… nicht die richtige Stärke für einen entspannten Segeltag über die Kieler Bucht. Die Windrichtung würde ja noch passen, aber eine ordentliche Welle von der Seite würde uns den ganzen Tag begleiten. Das ist dann ganz schön anstrengend und vor Allem aber ungemütlich. 

Die Entscheidung ist schnell getroffen: eine kurze Nacht mit Wecker um 03.30 Uhr, ablegen, wenns dämmert um ca. 04.30 Uhr, und dann gleich durch bis Heiligenhafen, damit wir nicht erst wieder bei Starkwind einige Tage in Marstal oder Bagenkop festhängen. Gesagt… getan. Wir warnen unsere Nebenlieger vor (falls sie einen leichten Schlaf haben) und legen unsere Leinen schon mal vorsorglich über die Leinen der Nachbarn. Dann müssen wir zum Ablegen nicht lange fummeln und brauchen unsere Leinen nur leise abheben. 

Beim morgendlichen Kaffee um 4 Uhr (!) ist es noch ordentlich dunkel. Doch dann geht es los: wir schleichen uns leise aus dem Hafen. Stromkabel und Fender einholen klappt nahezu lautlos, doch ein etwas unangenehmes Geräusch können wir nicht verhindern: das Quietschen unseres Schiffes zwischen den Dalben. Sorry! Die Box, in der wir liegen, ist in der Breite nämlich so knapp, dass wir uns etwas hindurch quetschen müssen. Die Dalben geben ein wenig nach, unsere Scheuerleiste tut, was sie tun muss und flupp… wir sind draußen und tuckern aus dem Hafen. Und wir sind nicht die Einzigen, die die Gunst – bzw. den ruhigen Wind – der frühen Stunde nutzen. 

Vor dem Ablegen haben wir nicht nur die Windvorhersage, sondern auch die Wasserstandsvorhersage gecheckt. Die Wasserstände schwanken hier nämlich so um 20-40 cm – und das mal nach oben, und mal nach unten. Wir haben das die letzten Tage schon gemerkt: mal ein Schritt vom Schiff nach oben auf den Steg, mal ein Schritt ebenerdig oder sogar etwas nach unten. Und da ich unseren Kurs gerne mal wieder durch einen kleinen und flachen, aber gut betonnten Weg zwischen den Inseln östlich von Ærø hindurch planen will, sind mir 20cm mehr Meerwasser unterm Kiel schon deutlich lieber, als womöglich ein geringerer als normaler Wasserstand. Wir haben Glück… die Vorhersage paßt zu unserem Plan und so können wir den gewundenen Weg zwischen den kleinen Inselchen und Sandbänken hindurch genießen – wir haben immer genügend Wasser unter’m Kiel. 

Als wir Marstal passieren, verlassen mehrere Segler den Hafen. Es ist mit 08.30 Uhr „normale“ Ablege-Zeit – wir haben aber schon 20 sm (eine gemütliche Tagesetappen-Länge) hinter uns. Leider müssen wir motoren, denn der Wind bleibt in seinem nächtlichen Ruhemodus. Das Wetter ist dabei überhaupt nicht sommerlich. Es drohen immer mal wieder dunkle Regenwolken, doch sie regnen sich über Land ab und wir bleiben verschont. Aber Sommer geht echt anders.

Südlich von Langeland, quasi mitten auf der Ostsee, wundern wir uns über ein großes Kreuzfahrtschiff, dass sich nicht von der Stelle rührt. Normalerweise müssen wir hier immer sehr achtsam fahren, um eine freie Passage zwischen vielen Frachtern, Containerriesen und Kreuzfahrern zu finden, deren Hauptverkehrsweg von Kiel in Richtung Göteborg bzw. Baltikum hier entlangführt. Und jetzt ein Schiff vor Anker? Seltsam. Ein Blick in MarineTraffic sagt uns: die „Carnival Pride“ (eines der kleineren Schiffe der 25-Schiffe-Flotte von Carnival-Cruise-Line, Länge 293m, Breite 32m, max. 2.124 Passagiere, 930 Crew-Mitglieder) liegt hier schon seit über 14 Stunden fest. Nach ihrem Reisestart am Vortag in Kiel (um heute in Göteborg Station zu machen) führten wohl Antriebsprobleme dazu, dass die Reise südlich von Langeland nicht fortgesetzt werden konnte. Jetzt wird fieberhaft nach einer Problemlösung gesucht, die Passagiere müssen auf ihren Besuch in Göteborg verzichten und wir kommen mal dicht an einem Kreuzfahrer vorbei. Später haben wir gesehen, dass die Carnival Pride gegen 16 Uhr ihre Fahrt langesam fortsetzten konnte. Allerdings zurück nach Kiel zur Reparatur.

Als wir querab von Fehmarn sind, bekommen wir doch noch ein wenig Segelwind. Wenigstens was, denn die Sonne versteckt sich immer noch ziemlich erfolgreich hinter den Wolken. In Heiligenhafen hat uns dann unser Freund Ferdi wieder einen genialen Platz reserviert – noch breiter, noch länger, noch schönere Aussicht als sonst! Und ein Stegnachbar nimmt uns unsere Vorleinen an: „Hallo, seid ihr das mit dem Reservierungs-Service?“ Das ist doch mal wieder eine tolle Begrüßung! Hier liegen jetzt drei Schiffe nebeneinander, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: ein großes Motorschiff, unser gemütliches Komfort-Segelschiff und eine Rennziege.

Am nächsten (späten) Morgen/Donnerstag, 20. Juli – wir müssen erstmal etwas ausschlafen – zeigt sich, dass die lange Etappe vom Vortag (10 Stunden, 58sm) doch etwas Gutes hatte: es bläst heftig… die Vorhersage hat mal wieder gestimmt. Ein Lob auf den dänischen Wetterbericht – zum wiederholten Mal! Jetzt sind wir zwar 6 Tage zu früh hier in Heiligenhafen – wir haben für nächste Woche Donnerstag einen Montagetermin zum Einbau unserer neuen Plotter – doch wenigstens sind wir hier und liegen nicht wieder irgendwo in Dänemark bei Starkwind fest mit der Unsicherheit: schaffen wir den Termin? Der ist nämlich schon mehrfach verschoben und jetzt soll alles mal endlich erledigt werden. 

Es ist in diesem Jahr wie verhext. Immer wieder lange und heftige Starkwindphasen fordern permanentes und umfangreiches Umplanen. Ein wenig kennen wir das ja, denn das Wetter fordert immer Flexibilität. Doch in diesem Jahr ist es heftig. Das zum Thema Klimawandel.

Nach einer kurzen Info an die Werft – „moin, wir liegen im Yachthafen auf stand by“ – kommt kurzfristig die Antwort: „legt Euch mal schon Sonntagabend an die Werftpier, am Montag um 08 Uhr beginnt die Montage!“ So hat der stark verkürzte Urlaubstörn doch noch etwas positives.

Die nächsten Tage verbringen wir mit diversen Spaziergängen durch Heiligenhafens Straßen, schlendern über das aktuell stattfindende Hafenfest und zur Seebrücke, genießen ein leckeres Abendessen bei Freunden, räumen etwas auf… und sind bei Allem immer auf der Hut vor dem nächsten Regenschauer. Ich muß mich wiederholen: Sommer geht anders.

Während einer kurzen Regenpause am Sonntagnachmittag verlegen wir uns an die Werftpier. Pünktlich am Montag ab 08 Uhr macht ein sehr kompetenter Monteur erstmal Chaos an Bord. Doch er ist guter Dinge, alles zur Zufriedenheit einbauen und vor Allem anschließen zu können. Doch es zeigt sich mal wieder der Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Aussage des Raymarine-Verkäufers war damals: „der neue Plotter ist ganz einfach zu montieren: das alte Gerät ausbauen, den Stecker ins neue Gerät, wieder einbauen, läuft.“

Der Monteur, wirklich ein Fachmann, hat über 10 Stunden benötigt! Mal von den zu vergrößernden Ausschnitten für die Geräte abgesehen, die natürlich auch Arbeit machen, passen auch diverse Kabel und Stecker nicht, Zwischenrelais sind notwendig, diverse Updates müssen gemacht und Konfigurationen angepasst werden und… ein Tochtergerät funktioniert garnicht mehr. Ups! Von Letzterem war nie die Rede! 

„Großhirn an alle: fertigmachen zum Ärgern, Großhirn an Drüsen, Adrenalinausstoß vorbereiten“.  

Kalli also ans Telefon und den Raymarine-Verkäufer gefaltet. Nach einiger Bedenkzeit – und vermutlich zusätzlichen grauen Haaren – findet dieser einen halbwegs akzeptablen Preis für das nun außerplanmäßig noch anzuschaffende Autopilot-Modul. Dieses muss jetzt allerdings erst noch bestellt, geliefert und natürlich verbaut werden. Also noch zwei Tage in Ortmühle ausharren und die Aussicht auf das Naturschutzgebiet Graswarder, der Heiligenhafen vorgelagerten Halbinsel, genießen. Das Wetter ist dabei so wechselhaft wie schon die letzten Wochen: heftiger Wind im Wechsel mit (kurzen) ruhigeren Windphasen, Regenschauer im Wechsel mit Sonne, eine Gewitterwolke jagt die nächste…

Eine lustige Begebenheit am Rande: wir haben schon wieder jemanden getroffen, den wir sieben Jahre nicht gesehen haben. Neben uns im Hafen liegt ein Schiff, das einige Zeit in Grömitz mal an unserem Steg lag. „Sume“, damals als 2-Master unterwegs, haben wir aber auch als – jetzt – Einmaster erkannt. Sie liegt hier wegen ausgeführter Werftarbeiten und soll nun wieder an ihren Sommerliegeplatz nach Orth/Fehmarn verholt werden. Vorher gibt es allerdings noch ein kleines Problem mit einem neuen Segel. Als die Eigener kommen, haben wir uns gleich wiedererkannt, sehr nett unterhalten und alte Erinnerungen ausgetauscht. Nur ein abendlicher langanhaltender heftiger Regen verhindert – leider – längere Gespräche im Cockpit.

Wir ergeben uns in unser Schicksal und warten auf die Lieferung der notwendigen Installations-Komponenten. Und da der Monteur dafür neue Kabel unter den Bodenbrettern verlegen muß, nutze ich die Zeit, die unter den Brettern verborgenen – gut gefüllten – Stauräume zu leeren und gründlich zu putzen. Wobei… so schlimm ist es garnicht. Nur etwas Staub hat sich angesammelt. Nach der Montage kann ich Inventur machen und alles ist wieder ordentlich.

Und dann ist es endlich soweit: am Donnerstagnachmittag trifft die Expresslieferung ein und der Monteur hat auch alles fix eingebaut. Jetzt noch nach Grömitz aufzubrechen haben wir allerdings keine Lust. Wir bereiten alles für den morgigen Start vor… z.B. sich mit dem neuen Plotter ein wenig vertraut machen – die Bedienung ist schon deutlich anders, als beim alten Modell – die Wegepunkte, Routen etc. finden, Papier-Seekarte bereitlegen, Wetterbericht checken… paßt alles.

Am Freitag, 28.07.23, dann los gen Heimathafen. Wind ist mal wieder fast Null… wie sollte es auch anders sein. Es ist, wie in den vergangenen Wochen auch schon: entweder 5-7 Beaufort oder 1-2 Bft. Heute also mal wieder 1-2 Bft.Immerhin Sonnenschein, das ist doch schon mal was. Häufig haben wir kurz vor der Ankunft in Grömitz nochmal Regen oder Gewitterböen, heute ist alles gut. Wind und Wasser sind so ruhig, dass wir unterwegs noch die für die neue Navigation notwendige Kalibrierung durchführen können. Dafür muss man in einer bestimmten Geschwindigkeit einen großen Kreis fahren, damit der neu eingebaute Fluxgate-Kompass (ein elektrischer Kompass) das Schiff und die Umgebung kennenlernt, entsprechende Störungen durch Metall, Stromkabel etc. ausgleicht und dann korrekte Werte an die Navigation liefert. Dafür ist das Wetter heute ideal (ich muss ja auch mal was Gutes über das Wetter sagen).

Und noch was Positives: unterwegs sehen wir nochmal einen Schweinswal und sogar einen Seehund! Versöhnlicher Abschluss des Urlaubstörns. Aber es kommt noch besser: wir bekommen eine Nachricht von der Skrållan Anders – das Segelschiff, mit dem wir den Urlaubstörn gemeinsam begonnen haben. Sie sind ebenfalls auf dem Weg zurück nach Grömitz, haben uns auf ihrem AIS entdeckt und schlagen ein Treffen auf See vor. Was für eine klasse Idee und toller Zufall! Gemeinsam die Reise beginnen und gemeinsam wieder im Heimathafen einlaufen! Sie sind heute morgen um 05 Uhr in Gedser/DK gestartet, um das regen- und gewitterfrei angekündigte Wetter für ihre lange Heimfahrt zu nutzen. Und nun sind wir zum gleichen Zeitpunkt an der Ost-Tonne „schwarzer Grund“ vor Dahmeshöved !!

Nach dem Festmachen im Hafen und bei einem wohlverdienten Einlaufdrink lassen wir, gemeinsam mit der Skrållan Anders-Crew, die Reise Revue passieren und stellen fest: das müssen wir wiederholen – bei hoffentlich besseren und vor allem stabileren Wetterbedingungen. Was dann noch folgt ist nur noch packen, putzen und Bestandsaufnahme der Lebensmittel. Schließlich wollen wir parat sein, wenn doch nochmal etwas besseres Wetter kommen sollte. Immerhin dauert die Segelsaison – für uns – noch etwa 8 Wochen! Wir gehen nämlich in diesem Jahr mal etwas früher aus dem Wasser – geplant ist Ende September.

Und übrigens… wen es interessiert: ich hatte mir Mitte Juni in Marstal Wolle gekauft. Das durchwachsene Wetter hat auch was Gutes: der Pulli ist fertig!

Stay tuned and keep watching

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