Zu „Königs“ nach Öland

Etappen Kalmar – Borgholm – Sandvik – Byxelkrok / 21. – 26.05.2024

In Kalmar bleiben wir einige Tage. Strahlende Sonne am wolkenlosen Himmel und kräftiger Nordwind, der durch den Kalmarsund rauscht… Jacke an oder Jacke aus? Beim Spazieren durch die Stadt ist es sommerlich warm, im Hafenbereich pfeift der Wind und es ist ordentlich frisch. Am Pfingstmontag gönnen wir uns ein leckeres Essen „mit Kellner“ – das Restaurant ist eine Empfehlung des Chefs des „Baltic Kalmar Marina-Service“ – quasi zur Feier des Tages: nicht nur der Plotteraustausch hat problemlos geklappt (wobei wir ja noch nicht wissen, ob der Neue seine Arbeitswärme besser abführt und länger funktioniert als der Alte), sondern auch ein Jahrestag ist zu feiern (falls man sonst keinen Grund findet😜): vor 51 Jahren wurde ich/ Petra konfirmiert (20.05.1973)! Da kann man doch mal lecker essen gehen.

Nach einem Spaziergang über die Stadtmauer ist etwas Kultur angesagt: wir besuchen das hiesige Landesmuseum, in dem aktuell die Geschichte bzw. Bergung des mächtigsten Kriegsschiffes der schwedischen Flotte aus dem 17. Jahrhundert sehr eindrucksvoll dargestellt wird. Ein wirklich lohnenswerter Besuch! Und man beachte: alle Schrifttafeln und Erklärungen 3-sprachig – Schwedisch, Englisch, Deutsch! Da kann sich manches Museum in Deutschland mal ne Scheibe, bzw. englische Beschriftungen, von abschneiden!

Das königliche Schiff „Kronan“ wurde 1668 in Stockholm vom Stapel gelassen. Am 01. Juni 1676 beteiligte sich die „Kronan“ an der Schlacht vor Öland gegen eine dänisch-niederländische Flotte. Das Schiff kenterte bei starkem Südwestwind beim Wenden in Richtung des Feindes, vermutlich aufgrund einer zu geringen Reduzierung der Segel. Das Pulvermagazin explodierte und die „Kronan“ sank. Es war eine der größten Schiffskatastrophen der schwedischen Geschichte. Erst gut 300 Jahre später entdeckten Taucher das Wrack und es startete eine inzwischen mehr als 40 Jahre andauernde archäologische Ausgrabung. Die größten maritimen Gold- und Silbermünzen-Schätze Schwedens, viele der Bronzekanonen und ca. 20.000 Artefakte sind inzwischen geborgen worden und hier ausgestellt.

Von der 850 Mann starken Besatzung überlebten nur ca. 40. Mehrere Faktoren dürften zum Untergang der „Kronan“ beigetragen haben: die Instabilität des Schiffes, eine zu große Segelfläche im Zusammenhang mit der Wende, mangelnde Koordination einer schlecht ausgebildeten Besatzung und die Rivalität zwischen den Offizieren. Trotz der nachgewiesenen Instabilität war die „Kronan“, im Gegensatz zum deutlich kleineren königlichen Schiff „Vasa“, mehrere Jahre ohne größere Pannen unterwegs gewesen. Was der „Kronan“ schließlich ihren Untergang bescherte, würden wir heute im modernen Sprachgebrauch „menschliches Versagen“ nennen.

Am Nachmittag klopft nochmal der Monteur, denn wir haben uns für einige Belüftungslöcher entschieden. Ratzfatz sind sie gebohrt. Allerdings sind die Holz-Hülsen, die für ein etwas schöneres Aussehen sorgen sollen, noch nicht geliefert. Hoffentlich haben die Löcher die richtige Größe – gebohrt sind sie nach den Angaben des Hülsen-Herstellers. Doch wie genau sind diese? 🤷‍♀️❓ Falls die Hülsen erst eintreffen, wenn wir schon wieder unterwegs sind – schließlich wollen wir ja nicht unbegrenzt hier in Kalmar ausharren – werden sie uns in den entsprechenden Hafen gebracht! Das ist doch mal ein Service. Sowieso sind wir absolut begeistert von dem Engagement des „Baltic Kalmar Marina-Service“. 

Am nächsten Tag, Donnerstag, der 23.05.24, passen Wetter (sonnig) und Wind (Ost 3) und die gewünschte Reiserichtung (gen Nord-Nord-Osten nach Borgholm) gut zusammen. Also machen wir uns auf den Weg. Nachdem wir die Ölandsbrücke passiert haben wird der Wind unangenehm böig. Mal Ost 3 Bft., dann plötzlich Böen mit 5-6 Bft. Das muss doch eigentlich nicht sein. Das Gute dabei ist aber, dass durch die Abdeckung der langen Insel Öland keine Welle entstehen kann. Und wir können die Böen gut kommen sehen und sind vorbereitet: das Wasser kräuselt sich bei einer einfallenden Böe deutlich anders. Man kann die sogenannten Windstreifen schon von Weitem erkennen und sie langsam auf sich zulaufen sehen. Muss trotzdem nicht sein. Lieber konstant (zu)viel Wind als immer dieses hin und her. Wir bemühen mal wieder unser Reff und Pilgrim rauscht zügig durchs Wasser. Bald können wir die riesige Ruine von Schloss Borgholm am Horizont auftauchen sehen. Jetzt nur noch das Sperrgebiet vor Schloss Solliden (eher eine große Villa, als ein Schloss), dem Sommersitz der schwedischen Königsfamilie, passieren und schon sind wir an unserem heutigen Zielhafen angekommen.

Einlaufend in Borgholm sehen wir schon: alle Plätze sind frei. Nur im inneren Hafenbecken liegen einige Schiffe längs an der Pier. Dort ist es aber an einigen Stellen etwas flach für uns und der Wind würde uns gegen die Pier drücken. Das gibt immer so ein blödes gequietsche mit den Fendern. Also ran an die erste Heckboje in diesem Jahr. Der ausgesuchte Platz hat den Vorteil, dass wir mit dem Bug direkt im Wind liegen und anschließend unser Großsegel nochmal hochziehen können. Stegsegeln ist aktuell voll im Trend 😜 Nein, Quatsch, natürlich nicht. Aber das Großsegel liegt noch reichlich unordentlich auf dem Baum, da wir es vor dem Hafen einfach haben herunterrauschen lassen. Draußen war es uns zu kabbelig für ordentliches Auftuchen. Daher jetzt schnell alles in die gewünschten Falten gelegt. Wir haben es halt gerne ordentlich und aufgeräumt an Bord.

Dann luftige Sachen anziehen und auf zu einem kleinen Spaziergang durch das Städtchen. Es ist sommerlich warm und nett hier. Die lange Hauptstraße ist mit Fahnen geschmückt… so kennt man das in Schweden (und Dänemark). Übrigens gibt es hier ungewöhnlich viele Bekleidungsgeschäfte mit hochwertiger Ware… vielleicht hofft man, daß doch mal die Königsfamilie vorbeischaut? Ihre Sommervilla ist nicht weit weg und es kann daher schon mal passieren, dass einem hier „blaues Blut“ über den Weg läuft.

Abends testen wir ein angepriesenes Restaurant. Erfolg allerdings eher mäßig. Die Musik ist viel zu laut und die Vorspeise – von der Chefin selbst! – falsch serviert. Kalli dachte (wohlwollend) an eine besondere schwedische Interpretation von Carpaccio… wir beginnen also erstmal und es ist lecker… aber kein Carpaccio. „Oh, Entschuldigung… blablabla…“ Die anschließend servierte Pizza ist sparsam belegt, dafür aber mit extra breitem Rand und auch irgendwie etwas labberig. Hmm 🤨 Nunja. Bei einem nächsten Besuch in Borgholm sind sie raus aus der Verlosung. Immerhin brauchen wir die Vorspeise nicht bezahlen und auf den Rest gibt es 10% Nachlass. Ein rundum leckeres Essen wäre uns lieber gewesen.

Dann werden uns – wie versprochen – die bestellten Holzhülsen geliefert. Wie befürchtet passen sie nicht in die gebohrten Löcher. Die Angaben des Herstellers sind offensichtlich nicht ganz korrekt gewesen. Da haben wir jetzt wohl etwas Beschäftigung. Auch OK. Am nächsten Morgen ist es, nach einem kräftigen Regen in der Nacht (dem ersten seit knapp zwei Wochen) erstmal nebelig. Die Weiterfahrt verzögert sich folglich und so können wir getrost erst unsere Vorräte ein wenig auffüllen und dann raspeln und feilen, bis die Löcher zu den Hülsen passen. Erst am Nachmittag verschafft uns die Sonne wieder einen klaren Blick – allerdings ohne Segelwind. Es würde folglich eine Motorfahrt werden. Da haben wir aber schon längst entschieden, eine zweite Nacht in Borgholm zu verbringen. Morgen ist auch noch ein Tag.

Der Hafen ist zum Abend hin noch richtig voll geworden 😉, immerhin zwei weitere Schiffe liegen an unserem Steg (und 39 Plätze sind immer noch frei… alleine an unserem Steg!). Die Crews sitzen, wie wir auch, gemütlich im Cockpit und genießen den friedlichen Abend. Kaum ein Windhauch kräuselt das Wasser… alle Flaggen hängen schlaff herunter… die Sonne senkt sich langsam… das Bierglas leert sich… ein wenig Nebel zieht wieder auf… gute Nacht.

Am Morgen – wie auch schon gestern morgen – ist dichter Nebel. Also erstmal einen zweiten Kaffee trinken und dann warm anziehen, denn die Luft ist unangenehm feucht-kalt. Aber das wird schon… Nach einem Gang bis zum Molenkopf kocht Kalli uns erstmal einen Tee (mit ein gaaanz wenig Rum drin… wir wollen schließlich noch ablegen). Aber noch kann man kaum was sehen. Unser Schiff ist auf die knapp 100m nur schwer zu erahnen. So wollen wir nicht auf dem Wasser unterwegs sein. Wir haben zwar ein Radar, dass uns die Umgebung ein wenig klarer darstellt. Aber es ist ein seltsames Gefühl, in einer Art Wattebausch zu stecken. Geräusche kommen irgendwie von überall her und man ist permanent angespannt, weil man denkt, man sieht doch etwas. 

Es dauert dann doch bis zum frühen nachmittag, bis sich die dicke Suppe annähernd aufgelöst hat. Immer, wenn wir denken: „jetzt könnte es gehen“ kommen wieder dicke Schwaden über das Wasser gezogen. Aber dann… kreuzen wir eine kurze Etappe an der Küste Ölands gen Norden zu einem kleinen Fischereihafen. Hier in Sandvik gibt es inzwischen auch Gästeplätze und wir sind ewig nicht hier gewesen. Und: wir sehen das AIS-Signal von Jane Doe nicht sehr weit hinter uns. Ulli ist uns auf den Fersen… wie schön! Wir hatten uns von ihm und seiner Frau Traude in Ystad verabschiedet und schon vermutet/ gehofft, dass er uns irgendwann einholt. Leider ist Traudes Urlaub vorbei und Ulli ist jetzt wieder alleine unterwegs. Zwei Stunden nach uns läuft er in Sandvik ein 👏🥳 und macht neben uns fest.

Wir kaufen schnell noch etwas geräucherten Fisch und freuen uns, dass wir Ulli schon hier im Hafen wiedersehen. Wir hatten uns erst für Byxelkrok verabredet, doch Ulli fährt ja gerne mal etwas längere Etappen und so können wir schon heute einen Einlaufdrink gemeinsam genießen.

Jetzt fehlt nur noch eine kürzere Etappe und dann haben wir schon den Norden Ölands erreicht. Am Sonntag, 26.05.24, passt der Wind und wir haben eine gemütliche Segelzeit bis Byxelkrok. Hier sind wir vor 23 Jahren das letzteMal gewesen… da bestand der Hafen nur aus einer langen Steinmole, hinter der man festmachen konnte und einer Betonpier für die Fischer. Das existiert auch heute alles noch genauso. Aber es wurden – offensichtlich vor noch nicht allzu langer Zeit – ein südlicher Wellenbrecher mit ganz breitem Pier und zwei zusätzliche Stege gebaut. Hier ist in der Saison offenbar der Bär los… jetzt ist es (glücklicherweise wieder mal) angenehm leer. 

Der Plan, den wir beim abendlichen Essen unserer selbst gemachten Lasagne gemeinsam mit Ulli schmieden, ist am nächsten Morgen Schall und Rauch🤷‍♀️ Wir wollten hier eigentlich einen Tag bleiben und zu einem am Inselende gelegenen Art Binnensee radeln oder scootern. Doch für morgen ist schwacher Ostwind angesagt, was bedeutet, dass wir vermutlich die gesamte Strecke nach Gotland, unserem diesjährigen Reiseziel, motoren müssten. Das macht keinen Spaß, denn die Strecke ist lang. Aber jetzt würde rein segeltechnisch alles passen: Südwind von passabler Stärke. Also morgens den zweiten Kaffe streichen und kurzentschlossen ablegen und los. Ulli ist noch unentschlossen, aber wir legen ab. Was für eine gute Entscheidung! Die erste Stunde läuft der Motor noch etwas mit, da der Wind durch die Landabdeckung von Öland doch etwas schwächelt. Doch dann geht es richtig ab. Für unser Schiff idealer halber Wind… kaum Welle, in der man sich feststampfen könnte… Sonne am strahlend blauen Himmel… und dann stecken wir unterwegs plötzlich mitten in einer Regatta. Genau zu dem Zeitpunkt, wo der Wind noch mal zugelegt hat und auch wir nur so durch das Wasser pflügen. Das Regattafeld fährt genau auf unserer Kurslinie – allerdings entgegengesetzt – und die Teilnehmer müssen sich, genau wie wir, an Vorfahrtsregeln halten. Und wir haben Vorfahrt! Trotzdem versuchen wir natürlich, niemanden zu behindern. Ist auch kein Problem… einfach geradeaus weiter und durch. Ist schon spannend, denn einige rauschen schon recht dicht an uns vorbei.

Einfach herrlich. Der Windmesser zeigt uns eine Stärke an (gut 5Bft), bei der wir normalerweise reffen. Aber nöö, es läuft so gut, der Wind ist kein bisschen böig und das Wasser immer noch ziemlich glatt… wir lassen Pilgrim laufen. Und man gewöhnt sich an den kräftigen Wind. Als dieser wieder auf „unsere“ Normalstärke (4Bft) zurückgeht, denken wir: was ist denn jetzt? Es geht garnicht mehr so richtig voran.  Tut es natürlich doch, nur halt etwas gemächlicher, und so segeln wir weiter unserem heutigen Tagesziel entgegen.

Stay tuned and keep watching

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