Auf nach Gotland, Schwedens größter Insel

Etappen Byxelkrok – Visby – Lickershamn – Klintehamn – Stora Karlsö / 27.05. – 01.06.2024

Weit und breit kein Land. Nur Wasser, soweit man schaut. Und Sonne. Und ab und an ein Frachter und eine Fähre. Was für ein grandioser Tag! Je näher wir der Insel Gotland kommen, desto wärmer wird es. Die letzte Stunde haben wir den Eindruck, von einem warmen Föhn angepustet zu werden. Der Wind legt nochmal etwas zu und ist erheblich wärmer geworden. Solch eine plötzliche Temperaturveränderung haben wir so noch nicht erlebt.

Visby, die Hauptstadt Gotlands von der Seeseite aus zu erkennen, ist nicht sonderlich schwierig, wenn man weiß, dass es hier große Fährterminals gibt. Von Weitem sieht man sowas wie eine lange weiße Wand: die am Terminal liegenden drei Fähren. Sie fahren von Gotland nach Oskarshamn und Nynäshamn. Beim Einlaufen in den großen Hafen von Visby hat Kalli ein Déjà-Vu: überall große Fähren… wie vor 2 Jahren beim Einlaufen in Mariehamn/ Ålands. Glücklicherweise bleiben hier heute alle Fähren an ihrer Pier liegen und machen keine Anstalten, genau jetzt abzulegen. Wir können folglich ganz entspannt dicht an ihnen vorbei in das Gäste-Hafenbecken fahren. Da auch hier (noch) nicht viele Boote liegen, machen wir mal wieder längsseits an einem Steg fest. Und dann aber nix wie umgezogen – es ist Sommer🌞 und 26°C warm! Es steht daher bei Kalli auch bald ein Friseurbesuch an: die in zwischen lang gewachsene Wolle muss ab. Wozu gibt es Langhaarschneider…

Nach dem langen Tag – wir waren gut 8 Stunden unterwegs – haben wir zum Kochen keine Lust mehr… nur noch etwas im Cockpit entspannen und die Stadt auf uns wirken lassen. Aber der kleine Hunger macht sich bemerkbar und so weihen wir unseren Grill-Neuzugang ein. Auf der diesjährigen ABF-Messe (eine Freizeitmesse in Hannover, immer Anfang Februar) hat uns ein smarter Verkäufer von seinem Produkt überzeugt. Ein kleiner Gasgrill, platzsparend zusammenzufalten und damit gut zu verstauen. Jetzt muss er zeigen, was er kann. Klappt gut.

In Visby bleiben wir einige Zeit, denn es gibt sooo viel zu sehen. Wir erwandern die krummen kopfsteingepflasterten Gassen bergauf und bergab… es ist ordentlich hügelig hier. Nix für Fahrradfahrer. Bunte Häuschen und Kirchenruinen gehören zum Stadtbild und an allen Ecken erinnern mittelalterliche Bauten an die lange Geschichte des Ortes. Visby steht seit 1806 unter Denkmalschutz und seit 1995 auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes. Sie ist die am besten erhaltene befestigte Handelsstadt Nordeuropas und war vom 12. – 14. Jahrhundert das führende Zentrum der Hanse im Ostseeraum. Besonders beeindruckend ist die zwischen 1250 und 1288 errichtete und fast vollständig erhaltene Stadtmauer („Rindmuren“). Sie umgrenzt mit ihren 6 bis 9m hohen Mauern und zahlreichen Türmen und Toren auf 3,5 km Länge die gesamte Altstadt.

Zahlreiche alte Kirchen, Museen und Parks bieten für jeden Besucher das Passende. Viele kleine Restaurants und Cafés haben kleine Terrassen auf die schrägen Gassen gebaut und laden zum Verweilen ein. Zwischen 10 und 15 Uhr ist die Stadt allerdings etwas voller: denn fast täglich legen gegen 8Uhr ein bis zwei Kreuzfahrtschiffe am Cruise-Terminal an und lassen ihre menschliche Fracht an Land. Die Menschen wandern dann in großen Pulks durch die Stadt oder werden mit Bussen über die Insel gekarrt.

Einen Tag mieten wir uns dann ein Auto, um den südlichen Teil der Insel zu erkunden. Das Wetter ist ideal für eine Rundfahrt: etwas trübe und es zeigen sich kleine Wolken am Himmel. Auf dem Weg gen Süden schauen wir uns auch einige kleine Häfen an: wollen wir dahin?… passen wir da rein?… Erst an den touristisch interessanten Steilküsten begegnen uns diverse Reisebusse: während wir uns (wieder in fröhlicher Gemeinschaft mit Ulli) etwas anschauen, halten mindestens zwei Busse: aussteigen… knips knips… einsteigen… weiter. Noch ein Bus… aussteigen… knips knips… einsteigen… weiter. Hmm😵‍💫, dann doch lieber einen guten Bildband betrachten. 

Die Landschaft ist irgendwie garnicht typisch schwedisch. Besonders auffällig finden wir die in voller Blüte stehenden riesigen Fliederhecken. Gefühlt jedes Grundstück ist damit zur Straße hin begrenzt. Wenn mal kein Flieder angepflanzt ist, bilden niedrige Trockenmauern – also kleine Mauern aus losen Natursteinen, das ohne Mörtel errichtet werden – die Abgrenzung. Alles sieht gepflegt aus, mit ordentlich Platz zwischen den einzelnen Gehöften. Die Trockenmauer wurde übrigens 2018 von der UNESCO in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen!

Und dann sind da natürlich die steilen Klippen und Raukar (oder Rauken), die hohen Kalksteinsäulen. Typisch für Gotland und beeindruckend anzuschauen. 

Ein bisschen über die Entstehung muss hier sein🤓: vor über 543 Millionen Jahren befand sich Baltica, der Kontinent, auf dem auch Gotland und Öland lagen, noch auf der Südhalbkugel (!) und schoben sich langsam nach Norden. Das wechselnde Klima der unterschiedlichen Breitengrade läßt sich noch heute in den Sedimenten nachweisen. So bildete sich vor rund 490 Millionen Jahren auf dem Gebiet von Gotland und Öland, das sich inzwischen am Äquator befand, ein großes Korallenriff. In den flacheren Küstenregionen lagerte sich mit den Jahrtausenden Riffkalk ab. Die bizarren Formen, die man heute sieht, entstanden nach der letzten Eiszeit – vor erst 21.000-10.000 Jahren – durch Erosion und Auswaschungen. Wegen der nacheiszeitlichen und immer noch anhaltenden Landhebung liegen einige Raukar heute sogar küstenfern. Und man kann gut erhaltene Fossilien finden, die auf ein einst großes tropisches Meer hinweisen.

Irgendwann verabschieden wir uns aber doch von Visby. Wir segeln die Westküste weiter hoch und wollen noch einen anderen Hafen auf Gotland besuchen. Unser nächstes Ziel ist Lickershamn. Es gibt hier nicht wirklich viel, dafür aber wichtiges: Ruhe, Beschaulichkeit, Fliederhecken, viele hier typische urige Holzzäune… und Gotlands größten Rauck! Hier steht die „Jungfrun“ (27m über dem Meer,7m Höhe bis zum Boden) und präsentiert sich bei bestem Sonnenschein.

Und da sich Ullis und unsere Wege nun doch trennen, genießen wir noch einen schönen Abschlussabend – leider. Es ist schön, wenn man im Hafen auf liebe Freunde trifft! Doch Ullis Reise führt ihn weiter gen Norden in Richtung Höga Kusten. Ich kann Kalli leider nicht zu einer Weiterfahrt bis zur im Norden Gotlands vorgelagerten Insel Fårö oder gar einer Umrundung Gotlands überzeugen, aber doch wenigstens von einem Besuch eines TV-Schauplatzes im Südwesten Gotlands. Und anschließend kann es dann wieder an die schwedische Ostküste gehen. Also, auch wenn’s schwerfällt, wir müssen tschüß sagen🥹💁‍♀️💁‍♂️

Ulli legt früh um 06.30 Uhr ab (ist eigentlich so garnicht seine Zeit🥱), und erreicht nach 12 langen Stunden sein Tagesziel bei Nynäshamn 👏🫡, wir unsere nächste Station Klintehamn schon nach 6 Stunden. Von hier aus fährt eine kleine Fähre regelmäßig zu einer als Naturreservat ausgewiesenen Insel – nach dem Yellowstone Nationalpark das zweitälteste Schutzgebiet der Erde! Wir haben die Insel in einem Krimi als sehr beeindruckend wahrgenommen: „Maria Wern – Kripo Gotland“ hatte hier mal einen Fall zu lösen. Und da wir schon mal in der Nähe sind, wollen wir da auch hin.

Am nächsten Morgen bringt uns die Fähre schnell nach Stora Karlsö. Das Wetter ist ein wenig durchwachsen und gewittrig vorhergesagt, doch für einen Inselrundgang gerade richtig, da nicht zu heiß. Zum Segeln wäre uns die Wettervorhersage zu unsicher und gewitterlastig gewesen. Stora Karlsö, etwa 4,5sm westlich von Gotland gelegen, begrüßt uns mit mächtigen, steilen Kalksteinwänden. Entstanden sind sie aus Korallenriffen des Urmeeres zu einer Zeit, als Gotland noch am Äquator lag. Quasi eine zu Stein gewordene Unterwasserwelt.

Leider wird die geführte Tour, die uns zu Geschichte und Leben auf der Insel informieren soll, nur auf schwedisch abgehalten – wir sind am Abend also fast so schlau wie vorher☹️. Angekündigt war die Führung auf englisch. Tja… ein Englisch-Guide ist wohl krank. Ärgerlich🤬. So unternehmen wir den Insel-Rundgang alleine und lesen, was die Inselbroschüre und anschließend das www-Netz so hergibt. Das alles hier wiederzugeben, ist dann doch zuviel des Guten, aber es lohnt sich unbedingt, mal mal auf der Internetseite https://storakarlso.se/  (auch auf Deutsch) nachzulesen.

Wir finden jedenfalls die Geschichte der Insel, das früher sehr entbehrungsreiche Leben der wenigen hier lebenden Menschen, die steilen Felsen und die unzähligen Vögel sehr spannend. Und natürlich auch ein ganz klein wenig die Krimi-Vergangenheit. Ich bin mir sicher, einige Drehorte von „Maria Wern“, Episode „Die Insel der Puppen“ erkannt zu haben 🎬🎥… z.B auch die lange Treppe hoch zum Leuchtturm – habe aber auf die Schnelle die Stelle im Krimi nicht gefunden 🤷‍♀️

Die angekündigten Gewitter kommen tatsächlich, und das mit ordentlich Wind im Gepäck. Sie ziehen glücklicherweise aber an der Insel vorbei. Als ich oben beim Leuchtturm bin – wird leider grad renoviert und kann daher nicht besichtigt werden – pfeift ordentlich Wind über das Hochplateau und um die Steilhänge. Ich muss erstmal auf Abstand zum Abhang gehen. Die Fotos der Trottel-Lummen müssen warten, bis sich der Wind wieder etwas beruhigt hat. Die Kolonie der Trottel-Lummen an der 50m hohen Steilwand stört der Wind nicht – sie sind das gewöhnt. Hier auf der Insel soll es übrigens die größte Population der gesamten Ostsee geben!

Als die Fähr-Rückfahrt näher rückt, erwischen uns doch noch einige Regentropfen. Die Fähre rauscht wieder mit 18kn zurück nach Klintehamn, diesmal allerdings etwas weniger geschmeidig als auf der Hinfahrt: die durchziehende Gewitterfront hat ihre Spuren auf dem Wasser hinterlassen. 

Wir beschließen den ereignisreichen Tag recht früh, denn am nächsten Morgen soll es zeitig zurück an Ölands Nordspitze gehen (und dann weiter zurück ans Festland). Die Abreise verschiebt sich allerdings ein wenig: bei einem Blick aus dem früh-morgendlichen Fenster (die Uhr zeigt 04 Uhr!) können wir nicht mal bis zur nächsten Fahrwasser-Tonne gucken, und die liegt nur ca. 40m neben uns. Dichter Nebel hat alles in undurchsichtige Watte gepackt. Für eine Entscheidung braucht’s nicht lange: wieder hinlegen und weitergeschlafen! Zwei Stunden später ein neuer Versuch: ziemlich klare Sicht. Also fertigmachen zum Ablegen. Glück für den Hafenmeister, denn dieser kommt soeben bei uns vorbei und freut sich, dass wir noch die Hafengebühr für die letzte Nacht bezahlen. Er wollte das Geld eigentlich am Vorabend kassieren, hatte uns aber irgendwie vergessen. Tja… so bringt uns der Nebel zwar zwei zusätzliche Stunden Schlaf, aber auch eine zusätzliche Hafengebühr. Egal, Hafenmeister war sehr nett, Dusche sauber und überhaupt hatten wir hier eine gute Zeit.

Stay tuned and keep watching

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