Im Süden des Bottnischen Meerbusen

Etappen Sottunga – Lappo – Jurmo – Isokari – Uusikaupunki

01. – 07. Juni 2022

Sottunga will uns nicht gehen lassen. Der (fehlende, aber nicht vermisste) Regen der letzten Wochen hält sich hier jetzt hartnäckig und wechselt sich in schöner Regelmäßigkeit mit Starkwind aus den verschiedensten Richtungen ab. Bei akzeptablen Windstärken regnet es Bindfäden, bei trockenem Wetter – von Sonnenschein wollen wir mal nicht sprechen – bläst es (uns zu) kräftig.

Genügend Paracord-Leinen zum Anhänger oder sonstwas basteln, Strickzeug und Bücher sind an Bord, Kalli liest gerne im iPad, und das Abendessen ist ja hier gesichert. Wir sind auch durch die Speisekarte vom Restaurant „Salteriet“ noch nicht ganz durch und bekommen inzwischen sogar Nachtisch und Verdauer-Schnaps kostenlos. Also „eigentlich“ haben wir nichts auszustehen…

Doch es könnte ruhig mal weitergehen…

Es macht auch mal das eine oder andere Segelschiff im Hafen fest. Die Skipper – immer Einhandsegler – sehen allerdings reichlich durchgefroren aus und kommen eingepackt wie Michelin-Männchen an. Der Anblick reizt uns wirklich nicht zum ablegen…

Wir mummeln uns ein – die Schiffsheizung läuft – und überlegen, wohin es denn weiter gehen soll. Die Navigation am Plotter macht es einem in dem Felsengewusel schon deutlich einfacher, als auf den Papierkarten. Aber auch die liegen immer bereit. 

Die Finnischen Seekarten sind wie ein übergroßes Ringbuch und man ist ziemlich viel am blättern. Aber praktischer Weise ist oft auf der rechten Seite die Übersicht, und gleich auf der linken Seite die dazugehörige Detailkarte. Und Haupt- und Nebenfahrwasser sind deutlich mit der Angabe der Mindesttiefe bezeichnet. Das macht es etwas einfacher.

Allerdings… wer in der Vergangenheit die Kenntnisse bzgl. Kardinaltonnen vernachlässigt hat, bekommt in Finnland ein Problem. Es werden hier sehr sparsam grüne und rote Fahrwassertonnen (Lateralsystem) ausgelegt. Wir sehen hier hauptsächlich schwarz-gelbe Untiefentonnen (Kardinalsystem). Und diese auch in aller Regel ohne die üblichen Topzeichen. Wir lavieren uns folglich, dem Fahrwasser folgend, durch eine Vielzahl von Gefahrentonnen. Und wenn dann die Sonne draufscheint, man nur mit Mühe die schwarzen und gelben Streifen und schon garnicht ihre Anordnung erkennen kann, wird es manchmal spannend. Ein Blick in die Karte hilft natürlich, aber auf die uns bekannten und hilfreichen Topzeichen müssen wir hier verzichten. 

Am Donnerstag (02. Juni) verpassen wir irgendwie die Weiterfahrt. Morgens ist es erst noch regnerisch und die Sicht erheblich eingeschränkt. Dann scheint es etwas besser zu werden. Einer der Einhand-Segler macht sich – warm und wasserdicht einpackt – parat. Seine Reiseplanung führt bis in den hohen Norden und er möchte, trotz Schmuddelwetter, wenigsten ein kleines Stück weiterkommen. Nach einem netten Plausch tauschen wir Telefonnummern aus und werden uns auf MarineTraffic im Auge behalten. Zum Abschied schenke ich ihm noch einen der ersten selbstgebastelten Schlüsselanhänger dieser Saison – in finnisch blau-weiß.

Als Björn dann mit seiner „Chrysanta“ abgelegt hat, kommt bei uns kurz die Frage auf: und? Wir auch? Doch schon setzt wieder der Regen ein und wir winken ab. Im laufe des Tages hadern wir dann aber doch mit unserer Entscheidung, da das Wetter nicht ganz so schlecht geworden ist, wie vorhergesagt. 

Morgen muss es endlich weitergehen! Wenn es sein muss, dann eben auch als Michelin-Männchen verpackt.

Am Freitag (03.06.) dann das ersehnte Ergebnis beim morgendlichen Blick aus dem Fenster: Sonne! Und Wind aus SüdWest ist auch ok. Die Windrichtung bestätigt auch der Wetterbericht: es soll so bleiben. Also eine der gestern schon vorbereiteten Routen festlegen und fertig machen zum Ablegen. Die Windrichtung ist für uns ideal, um nur mit dem Vorsegel durch die Schären zu gleiten. Für unser reichlich üppig dimensioniertes Großsegel wäre bei dem vorherrschenden Wind – er hat nach einer Stunde mal wieder auf  5Bft zugelegt – schon wieder das erste Reff fällig. Und nur mit dem Vorsegel ist alles sehr entspannt. Von raumem Wind, leichten Wellen und Strömung getrieben gleiten wir unserem nächsten Übernachtungshafen entgegen: Lappo. Unterwegs kein einziger Segler – nur mal wieder zwei Jumbofähren, aber gaaaanz weit weg. 

In Lappo: alles leer. Wir haben den langen Steg für uns alleine, wählen aber diesmal die Option Heckboje und nicht, wie sonst immer gerne, längsseits. Der Wind soll über Nacht mehrfach die Richtung wechseln, das ist dann längs an einer Mole unglücklich. Das hier auch ein Fähranleger für die kleinen Inselhüpfer-Fähren ist, empfinden wir inzwischen als selbstverständlich. Und, wie schon mal erwähnt, die Fähren merkt man kaum. Aber die Motorbootfahrer, die gerne auf „dicke Hose“ machen. Als es am Abend so richtig schön friedlich ist, kommt so ein Idiot (eine Einheimischer) in den Hafen gebraust. Das gibt Wellen durch den gesamten Hafen und ein endloses Geschaukele. Gläser festhalten ist angesagt. Wenn der Typ jetzt am Steg festmachte, würde ihm Kalli vermutlich – mindestens verbal – eine scheuern.

Wir beschließen den Tag ganz entspannt in der Sauna und an der Waschmaschine. Letztere muß zwar pro Waschgang bezahlt werden, aber der Hafenmeister sagt zwinkernd, er würde nicht nachzählen, wieviele Maschinen gewaschen werden. Vorsaison-Rabatt sozusagen!

Übrigens: ich hatte schon gelesen, dass man auf den Schären nicht barfuß laufen soll, da es Schlangen gibt. Stimmt… habe heute die erste gesehen. Auf einem sonnengewärmten Stein. 

Am nächsten Tag bläst es wieder ordentlich und wir entscheiden, nicht loszufahren sondern uns nur längs an den Steg zu verlegen. Wir kriegen den Wind nämlich aktuell direkt von der Seite aufs Schiff, der Wind soll noch zulegen und wir vertrauen der Heckboje nicht so richtig. Der Plan: Vorleinen los, rückwärts zur Heckboje, Leine mit Ankerhaken lösen und wieder am Steg festmachen, aber längs. Dann bekommen wir den Wind von vorne und alles ist chick. Das Vorhaben klingt leichter, als es sich dann darstellt. Der Wind hat nämlich schon mächtig gearbeitet… Nicht nur, dass es einige Kraft erfordert, eine sich ordentlich festgezogene Vorleine zu lösen, auch ist offensichtlich nicht die Heckboje der unsichere Kandidat, sondern den Ankerhaken selbst hat es bereits erwischt. Er ist durch den Winddruck so verbogen, dass er sich nicht aus der Boje aushaken läßt. Da bleibt nur eins: Leine abknoten und Haken opfern. Er bleibt einsam an der Boje baumeln und wir legen erstmal ohne ihn wieder an. 

Es ist momentan wirklich vertrackt mit dem Wetter. Keine stabile Wetterlage und permanent wechselnde Windrichtungen, Stärken 1 bis 6. Und man kann auch jede halbe Stunde die Vorhersagen checken, jedesmal ist es wieder irgendwie anders… bei allen Wetterdiensten. Das macht die Planung für den als nächstes anzulaufenden Hafen schwierig. Zu irgendeiner Seite hin sind normalerweise die Liegeplätze nicht optimal geschützt. Bei wenig Wind nicht schlimm, bei viel Wind äußerst unangenehm bis gefährlich. Und gegen den Wind unterwegs sein will man ja auch nicht den ganzen Tag.

Wie sind ziemlich gefrustet. Glücklicherweise sehen wir wenigstens irgendwann einen Angler mit seinem kleinen Boot aus dem Hafen auslaufen und bitten ihn, unseren Haken von der Boje zu retten. Macht er gerne, wobei… er mußt ordentlich dran rumwürgen, um ihn los zu bekommen. Zum Einsatz kommt der Haken wohl nur noch bei Flaute  – wenn er sich denn gradebiegen und dann auch wieder einhängen läßt. 

Wir betreiben Frustbekämpfung und leihen uns erstmal zwei E-Roller aus um damit ein wenig die Insel zu erkunden.

Am Nachmittag bekommen wir dann Besuch. Kalli hat beim Kucheneinkauf – hmmm, sehr lecker – zwei Kanadier (!) getroffen und auf einen Drink eingeladen. Sie kommen sofort und gerne und man glaubt es nicht: die Beiden sind nur auf den Ålands, um möglichst viele DiscGolf-Plätze zu bespielen. Sie sind über Estland – dort haben sie auch schon gespielt – nach Mariehamn geflogen und haben inzwischen von geplanten 40 Plätzen schon 36 bespielt. Man glaubt es kaum. Und die Ålands haben sogar eine aktuelle Briefmarke mit DiscGolf-Symbol – die erste der Welt! Laurie und Karen sind total begeistert. Und sie haben sogar ihre eigenen Frisbees dabei: einen Rucksack voll mit bestimmt 15-20 verschiedenen Scheiben. Unterschiedlich wie beim Golfen die verschiedenen Schläger. Echt irre. Wir erzählen eine ganze Weile wirklich nett und auch der Hafenmeister gesellt sich dazu. Am Abend fahren sie dann mit der Fähre wieder nach Mariehamn, dann weiter nach Helsinki, mit dem Flieger über München nach Toronto und heim nach Ottawa. Übrigens spielt man dort DiscGolf auch im Winter – und der ist in Ottawa lang und kalt mit viel Schnee. Dann wird einfach ein buntes Bändchen an die Scheibe geklebt, damit man sie im Schnee wiederfindet. Es gibt sogar eine App, die weltweit sämtliche DiscGolf-Plätze anzeigt. Und wir Doofen hatten noch nie was von DiscGolf gehört 🤷‍♀️🤷‍♂️

Here is a short paragraph in English as a special courtesy to our (newly) friends Karen and Laurie from Ottawa, Canada:

After returning from our e-scooter-tour I went to the local restaurant at the Harbour to check their menu for the night. Two people stepped in and asked me, whether we enjoyed our scooter-trip. Obviously we must have passed them on the road. During the short conversation I learned they came to the Island to play DiscGolf, a type of Golf – similar to “regular” Golf – one plays with Frisbee Discs. We first came in contact with this sport in Mariehamn, Ålands – and we thought that must be a local special. I invited them for a drink on our boat and they visited shortly after. While having our afternoon drinks together we learned from Laurie, that they came from Ottawa to the Baltics and Finnland and Åland just to play DiscGolf: 40 courses and they had played already 36. First we couldn’t imagine that DiscGolf is so popular in the world. Laurie told us, that there are competitions and some people make their living with this sports. That was so amazing and the talk was a very entertaining one. And it proofs the saying: You can learn something new every day. The 3 pictures below – sent by Laurie – are evidence for the ww popularity of DiscGolf: Picture 1 shows a DiscGolf-shop in Helsinki, picture 2 ist a screenshot of an app (UDisc) showing all the DiscGolf courses in Germany, Picture 3 showes Laurie playing DiscGolf. Karen and Laurie flew home on Wednesday.

By the way: Laurie has been the President of the National Australian Frisbee Organsition years ago.

Laurie musste seine Scheibe aus dem Wasser retten

Am nächsten Morgen, Pfingstsonntag, rutschen wir gemütlich weiter nach Jurmo bevor das wiedermal angesagte Starkwindfeld durchzieht. Jurmo ist ein viel beschriebener und angepriesener Ort, allerdings z.Zt ziemlich ausgestorben… und an die Sanitäranlagen müßte dringend Hand angelegt werden. Hafengebühr ist  gestrichen. Und falls doch jemand zum kassieren kommt, müssen wir die Gebühr irgendwie wegdiskutieren.

Als wir nach einem Spaziergang – inklusive Aussichtsturm-Besteigung – zurück an Bord sind zeigt sich, wie genau unsere Planung heute mal zur Windvorhersage gepaßt hat. Sowohl in Stärke als auch Richtung: wir bekommen ordentlich kräftige Böen direkt von vorne. Diesbezüglich ein prima Liegeplatz. Und auf die Baustelle vor dem kleinen Fähranleger müssen wir ja nicht gucken. Wir genießen die herrliche Sonne windgeschützt im Cockpit und schauen achteraus auf die gegenüberliegende Schärenlandschaft. Abends dann ein fantastisches Farbspiel der untergehenden Sonne. Wahrlich zum wegträumen.

Pfingstmontag startet mit Ententeich: nicht ein Windhauch aus irgendeiner Richtung. Hilft nicht: wir motoren nach Isokari, einer etwas dem Festland vorgelagerten einzelnen Schäre, die auch als Lotsenstation fungiert. Das Wetter ist so schön, dass wir zum ersten Mal ohne warme Jacke unterwegs sind. Und wir haben Seehunde gesehen. Da das Wasser – ohne einen Windhauch – sich nicht ein bisschen kräuselt, kann man die kleinen Köpfe, die immer mal aus dem Wasser lunsen, gut ausmachen. Leider waren sie etwas fotoscheu. Unterwegs wird die Gastlandflagge gewechselt: jetzt kommen wir eindeutig nach Finnland. 

In Isokari liegen wir wieder längs an der Pier… andere Plätze gibt es in dem kleinen Hafen eh nicht. Und dann: nichts wie kurze Hose anziehen. In diesem Jahr ist Sommer an Pfingstmontag!

Nach einem kühlen Einlaufdrink – heute unbedingt mit Eiswürfel – machen wir eine kleine Wanderung zum Leuchtturm. Isokari Lighthouse ist der höchste Leuchtturm im Bottnischen Meerbusen, erbaut 1833, und der drittgrößte in ganz Finnland. Leider ist er (heute) nicht zu besteigen. Nicht soo schlimm, aber schade. Man hätte bestimmt eine grandiose Aussicht… und das bei dem tollen Wetter.

Der Hafen füllt sich ein bisschen im laufe des Tages – für uns völlig ungewohnt. Ob das schon mit den in Skandinavien heute beginnenden Ferien zu tun hat wollen wir doch mal nicht hoffen. So wie bisher, mit max. 3 Schiffen im Hafen, fanden wir das schon ganz ok.

Als nächstes Ziel müssen wir aber dringend mal wieder eine etwas größere Stadt anlaufen, um einzukaufen und Vorräte aufzufüllen. Da ist Uusikaupunki günstig gelegen. Und außerdem ist der Name einfach lustig. Heißt aber übersetzt nichts anderes als Neustadt: uusi = neu, kaupunki = Stadt. Finnisch ist schon eine lustige Sprache… und man versteht überhaupt nichts.

Dort angekommen das gleiche wir gestern: sofort kurze Hose anziehen… es ist noch Sommer! 

An der Promenade vor unserem Liegeplatz gibt es verschiedene Cafés, die gut besucht sind. Die Menschen freuen sich auch hier über die sich endlich zeigenden sommerlichen Temperaturen. Wir bunkern erstmal Wasser und befreien das Schiff vom Blütenstaub der letzten Tage. Man glaubt garnicht, was in der Luft so alles rumschwirrt. Dann packen wir die Fahrräder aus und radeln durch die Stadt. Wir müssen unseren verbogenen Bojenhaken ersetzen und große Karabinerhaken kaufen: da hier fast überall zum Festmachen der Vorleinen Ringe oder einfache Eisenbügel vorgesehen sind, ist das Durchfädeln der Vorleinen sehr lästig und vor allem zeitaufwändig. Manchmal, bei mehr Wind, sollte das aber schnell gehen. Wir übernehmen folglich das System der Finnen: ans Ende der an Bord belegten Vorleine kommt der Karabiner zum schnellen einhaken an Land. Schiff ist erstmal fest und wird dann von Bord aus entsprechend dichtgeholt. Ich werfe (wie in heimischen Gewässern) lieber meine Vorleine über einen großen Poller oder eine Klampe an Land… dann muss ich nicht von Bord und kann auch sofort die Leinenlänge justieren. Aber das ist hier halt sehr selten so vorgesehen.

Nach der Tour durch die Stadt genießen wir das schöne Wetter an Bord und beschäftigen uns mit Seekarte, Hafenhandbuch und weiterem Kursverlauf. Die Häfen werden immer flacher und damit die Auswahl schwieriger. Blöderweise machen Hafenhandbuch und Seekarte teilweise unterschiedliche Angaben zur Wassertiefe. Wem soll man da glauben? 

Irgendwie wird es weitergehen…

Stay tuned and keep watching!

Kommentare:

2 Responses

  1. Hallo Frau Schäfer, da bekomme ich auch Lust auf so eine Tour, aber Sie haben schon ein Alleinstellungsmerkmal mit soviel Segelerfahrung und einem ebenso begeisterten Ehemann. Ich wünsche weiterhin gute Reise und stets eine Handbreit Wasser unter dem Kiel!

    Viele Grüße vom Festland und danke für die schönen Bilder und Notizen!

  2. Hello Karl & Petra, it was lovely to meet you both on your Baltic sailing adventure. We enjoyed our drink together and we wish you good sailing winds and warm weather as you head north.
    Warmest wishes on your journey!
    Laurie & Karen
    🇨🇦

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