Höga Kusten von Nord nach Süd

Etappen Örnsköldsvik – Trysunda – Ulvöhamn – Häggvik – Lustholmen – Söräkersviken – Sundsvall

06. – 14. Juli 2022

Nach zwei Tagen in einer (beinahe-) Großstadt verlassen wir den Hafen von Örnsköldsvik mit Ziel Trysunda, eine der etwas größeren Inseln im Schärengarten. Da die Bucht der Insel, trotz abgewinkeltem Küstenverlauf, nach Süden nicht optimal geschützt ist – irgendwie kommen die Wellen doch hereingeströmt – haben alle Bootfahrer auf Grund des starken südlichen Windes der letzten Tage – und der hereinströmenden Wellen – den Hafen verlassen. Und wir haben heute die freie Platzwahl. Doch erstmal ist lange Hose und Weste angesagt: es hat sich durch den Regen und Hagel am gestrigen Tag reichlich abgekühlt. Doch das wird schon wieder…

Auf der Insel befindet sich außer dem Hauptort – inzwischen mit kleinem Fähranleger und täglicher Verbindung zum Festland – keine Bebauung. Das kleine Dorf wurde von Fischern aus der mittelschwedischen Stadt Gävle im 16. Jahrhundert gegründet. Sie segelten jeden Sommer die ca. 160 Seemeilen nach Norden um dort zu fischen. So bauten Sie 1654 auch eine schlichte Kapelle, die mit Wandmalereien geschmückt war – und auch heute noch ist – und damit eine besondere Sehenswürdigkeit der Höga Kusten darstellt. 

Als die Fischfahrten begannen bestand die heutige Insel aus drei kleineren Inseln, die über Jahrhunderte durch die postglaziale Landhebung zusammenwuchsen. Der Name Trysunda stammt von „drei Sunden“, also den drei Meerengen, durch die der Hafen früher – vor der Landhebung – angelaufen werden konnte. Heute ist nur noch eine Zufahrt vorhanden, von den anderen ist nur das Rauschen übrig… und ein bisschen Flair aus dem 16. Jahrhundert. Das Leben auf den Inseln muß hart und entbehrungsreich gewesen sein und hatte bestimmt überhaupt nichts mit dem Idyll zu tun, das die Touristen heute hier so schätzen. Aktuell lebt niemand ganzjährig auf der Insel. Um den Charme zu bewahren, darf nichts neu gebaut werden, nur alte Gebäude können im Stil des Ursprünglichen ersetzt bzw. renoviert werden.

Vom Hafen führen Wege zu mehreren Badebuchten. Besonders die Bucht Storviken auf der Ostseite ist einen Spaziergang wert, denn der farbenfrohe Steinstrand mit den schwarzen (Diabas/ Gestein des Jahres 2017! ), roten (Sandstein) und grauen (Granit) Kullersteinen – alle nahezu perfekt glatt geschliffen – bedecken den Küstenstreifen und sind toll anzuschauen! Alle Größen zwischen Haselnuss, Golf- und Handball haben sich,  mehr oder weniger gut sortiert, an verschiedenen Abschnitten des Strandes zusammengefunden und bilden ein buntes Bild. Und man beachte: der graue Nording-Grågranit ist über 1.500 Millionen Jahre alt.

Eine andere Badebucht – Bockviken – reizt mit großen, glatten Felsen und einem weiten Ausblick auf die umliegenden Inseln. Und es gibt hier einen zweiten Fähranleger, falls das Wetter für ein Festmachen im Ort zu rauh ist. 

Gen Abend füllt sich der Anlegesteg und einige Heckbojen werden von zwei oder sogar drei Schiffen genutzt. Die Insel ist eben sehr beliebt. Die meisten Schiffe sind kleiner, aber alle sind leichter als wir. Wir dürfen daher unsere Boje alleine nutzen, denn mit unserem Schiffsgewicht von 12 Tonnen ist die Boje, so der Hafenmeister, ausreichend gefordert. Und sie bekommt auch gut zu tun, denn der Wind frischt auf, pustet mit 6Bft über das Wasser und unsere Boje ist häufig unter Wasser gezogen. Aber sie hält!

Die nächste Etappe ist eine recht kurze, denn wir fahren nur knapp 12 Seemeilen weiter auf eine ebenfalls sehr bekannte und beliebte Inseln hier im Schärengarten: nach Ulvön, bestehend aus einer Nord- und Südinsel und dem dazwischen verlaufenden Sund, an dem sich der Ort Ulvöhamn angesiedelt hat. Aber der Reihe nach.

Kurz nach der Ausfahrt aus Trysunda (Freitag, 08.07.) zeigt leider unser Tiefenmesser nicht mehr korrekt an – so denken wir. Das wäre ziemlich blöd, doch beim genaueren Studium der Seekarte erweist sich die plötzlich so ungewöhnlich hohe Anzeige – 107m Wassertiefe – als korrekt. Wir fahren allerdings nur mit ca. 30m Abstand zu einer kleinen Insel, die auf unserem Kurs liegt, und es scheint hier unter Wasser eine Art „Loch“ zu geben. Drumherum ist es überall „nur“ 50-60m tief. Also alles OK mit unserem Tiefenmesser. Kurz vor der lt. Seekarte erwarteten Einfahrt in den Ulvön-Sund werden wir wieder etwas nervös. Ein schwedischer Schiffsnachbar hatte uns vor einigen Tagen diesen Weg ausdrücklich empfohlen und die Seekarte sagt: hier geht es lang. Doch wo lang? Wir können, trotz guter Sicht und Sonnenschein die Einfahrt erst ganz kurz vor Erreichen ausmachen und sind beeindruckt, wie eng der Durchschlupf ist. Allerdings sollte uns doch bitte jetzt kein Schiff entgegenkommen!! Der Zufall hat ein Einsehen und erst als die Fahrrinne wieder etwas breiter wird kommt uns ein (kleines) Motorschiff entgegen. Der Puls geht wieder etwas runter und wir genießen die Fahrt durch den sich durch die beiden Inseln schlängelnden Sund. 

Als der sich etwas weiter öffnet, sehen wir auch schon die vielen kleinen roten Häuschen, meist ehemalige Fischerhütten, die sich an der Uferkante dicht an dicht aufreihen. Richtig hübsch anzuschauen. Wir suchen uns eine Heckboje vor einer langen Pier, überlegen allerdings einen Augenblick, ob wir nicht vielleicht die hier ebenfalls ausliegende – und freie – SXK-Boje nehmen sollten. Doch der Ort ist unbedingt einen Spaziergang wert und dafür extra unser Schlauchi zu Wasser lassen, damit wir von der SXK-Boje an Land kommen, wollen wir auch nicht. Also eine Heckboje geschnappt und an der Pier gut vertäut, denn der Wind nimmt stetig zu und schickt die eine oder andere kräftige Böe über den Sund. Das ist dann an der SXK-Boje auch nicht so lustig.

Hauptsache unsere Heckboje hält. Der Hafenmeister erzählt uns nämlich, dass vor einigen Tagen eine der Heckbojen ihren Dienst quittiert hat. Da hing dann nicht das Schiff an der Boje, sondern die Boje am Schiff. Das gute Stück liegt noch an der Pier auf dem Trockenen und wartet auf Austausch der Ankerkette. Es waren durch die permanente Belastung, Bewegung und vielleicht auch Rost einige Kettenglieder so dünn geworden, dass sie dann plötzlich brachen. Man kann von Glück reden, wenn es zu einer Zeit passiert, an der kein Schiff auf die Haltekraft der Boje angewiesen ist.

heute Liegeplatz mit Schwimmbad – hat doch was

Wie auch schon auf Trysunda, haben sich auch auf Ulvön die Fischer aus Gävle in früheren Jahren über den Sommer eingefunden. Auch hier – sogar früher als auf Trysunda – wurde 1622 eine Kapelle gebaut (und ca. 100 Jahre später innen umfänglich an Wänden und Decke bemalt) und ist heute das älteste erhaltene Holzgebäude der Region.

Die historischen Bootshäuser, Wohngebäude und Höfe dieses einst größten Fischerdorfes der Region Norrland verraten, wie die Menschen hier vor vielen Jahren gelebt haben – für geschichtsinteressierte wird die Entwicklung des Fischfangs und die Zubereitung des weltbekannten sauren Herings (Surströmming) anschaulich im kleinen Inselmuseum dargestellt. Die Insel wird auch als „Perle der Bottensee“ bezeichnet. Wobei wir da sagen müssen: es ist wirklich hübsch hier, aber Trysunda war irgendwie heimeliger, gemütlicher, weil nicht so groß. Allerdings eben auch nicht mit so gut sortiertem Lebensmittelladen wie hier, verschiedenen Restaurants, Hotel und Schwimmbad. Und Waschmaschine+Trockner frei zugänglich – wenn man die (wirklich günstige) Liegegebühr bezahlt hat! Also wird mal wieder große Wäsche eingeplant.

Nach einem Spaziergang hinauf auf den Lotsberget hat man einen fantastischen Panoramablick auf den Hafen und die umliegenden Inseln. Wer zum wandern zu faul ist, kann sich für einen Weitblick auch der WebCam bedienen (http://www.webcams-skandinavien.de/Schweden/Cam-Ulvohamn.php).

Den Name Ulvön, die Wolfsinsel (auf der es aber vermutlich, bis auf die Bronzefigur am Hafen, nie einen Wolf gab) bekamen Nörra und Södra Ulvön wohl eher von einem der drei Brüder, die die Inseln früher einmal besaßen, denn der Älteste von ihnen hieß Ulv.

Für den nächsten Tag hatten wir wieder nur eine ganz kurze 7sm-Etappe geplant, doch der morgendliche graue Himmel und ein bedrohliches Grummeln führt zur Planänderung. Wir bleiben noch einen Tag hier. Das Gewitter zieht glücklicherweise vorbei, doch der Regen kommt und es schüttet aus Kübeln. Aber mal ehrlich… kein Grund zur Beschwerde. Die Regentage, die wir bisher auf unserer Reise hatten, können wir noch gut an einer Hand abzählen. Dann halt aufräumen, lesen, Blog schreiben und Wäsche waschen… und bei Niesel ein wenig spazieren gehen, wobei die kräftigen Schauer dann in der alten Kapelle, dem Museum und Lebensmittelladen abgewettert werden.

In den Häfen oder Ankerbuchten zeigt sich inzwischen, dass die Ferienzeit begonnen hat. Allerdings ist die Schiffsdichte hier schon noch deutlich geringer als an der deutschen, dänischen und südschwedischen Küste. Zur Verdeutlichung mal ein Screenshot aus MarineTraffic: die vielen kleinen pinkfarbenen Markierungen sind alles Freizeitboote, die ein AIS-System an Bord haben. Und es sind hier oben doch deutlich weniger AIS-Signale als überall anders. Natürlich gibt es zusätzlich auch Schiffe, die dieses Automatische Identifikation System nicht installiert haben. Aber es sind doch hier im Norden angenehm wenig Schiffe unterwegs. So haben wir auch Zeit, uns während unserer Fahrt gen Süden langsam wieder an mehr Menschen zu gewöhnen.

angenehm wenig Schiffe (mit AIS-System) im Norden

Das mit dem dran gewöhnen muss dann auch gleich an unserem nächsten Ziel erfolgen. Nachdem die Wettervorhersage für Sonntag, den 10.07.22 nichts mehr von Dauerregen oder Gewitter ansagt, verlassen wir Ulvön, um einen uns von mehreren Schweden empfohlenen kleinen Hafen anzulaufen. Die Insel Mjältön, mit 236m die höchste Insel Schwedens, passieren wir östlich, verzichten aber auf einen Besuch. Die tolle Aussicht als Belohnung nach dem Hochkraxeln auf den Berg wird es heute eh nicht geben: es sind noch reichlich Wolken unterwegs und auch für den weiteren Tag vorhergesagt. Also dran vorbei und sogar mal wieder unter Segeln. Vorbei an anderen, auch reichlich hohen, Inseln und über mehr als 100m tiefes Wasser gleiten wir gen Süden… bis sich der Wind denkt: es ist ein ruhiger Sonntagvormittag… laß mal gut sein. Dann eben Segel wieder einpacken.

Auf dem Weg nach Häggvik fahren wir in den Gäviksfjärden, fast wie ein großer Binnensee, der uns wieder ein wenig einen alpenländischen Eindruck vermittelt. Und dann wird es spannend. Wir müssen durch eine schmale Durchfahrt, für die allerdings nirgends Tiefenangaben zu finden sind. Wir vertrauen auf eine kleine Randnotiz aus der Navionics-Community (unserem elektronisches Navigationsprogramm), die die Durchfahrtstiefe mit 3,60m angibt und denken uns: wenn der Hafen schon 3,30m tief ist (lt. Hafenhandbuch), warum die Zufahrt nicht auch. Und bisher haben solche quasi privaten Ergänzungen der Seekarte auch immer gestimmt.

Die Angaben stimmen auch hier und die enge Passage ist sogar betonnt. Und die Herfahrt nach Häggvik hat sich gelohnt… klein, gemütlich – in Dänemark würde man hyggelig sagen – und es sind sogar noch einige Plätze am Steg frei. Der nach dem Anlegen obligatorische Spaziergang fällt recht kurz aus, denn Häggvik ist – ganz offiziell – nicht mal mehr eine Kleinstadt: es gibt weniger als 50 Einwohner. Die einzeln und verstreut stehenden Häuser sehen aber alle sehr gepflegt und die Gärten liebevoll angelegt aus. Und auch hier fällt uns auf: Rasen mähen scheint in Skandinavien eine Art Volkssport zu sei. Die Rasenflächen sind alle tippi toppi… das war uns in Finnland auch schon aufgefallen. Wir sind nach einer kurzen Runde schnell wieder an Bord und genießen die Idylle.

Gen Nachmittag verziehen sich dann auch die letzten manchmal bedrohlich dunklen Wolken und bringen die Besatzungen der umliegenden Boote dazu, lauthals dem sommerlichen Wetter zu fröhnen: es wird Schlauchi gefahren (mit Motor!), kleine Schiffsmodelle werden – von Kindern und Vätern – hin und her geschickt (mit begleitenden Kommentaren), Kinder springen juchzend ins Wasser und die Väter hinterher. Es ist halt Sommer… Ferienzeit… und Sonntag. Für morgen müssen wir uns dann aber doch mal wieder eine Boje oder einen etwas einsameren Steg suchen. Das ist uns – so plötzlich – doch deutlich zuviel Trubel auf einmal. Aber sonst ist es wirklich schön hier.

Der nächste Tag verspricht schönes Wetter und so machen wir uns auf die Suche nach einem kleinen Anlegesteg. Natürlich erstmal per Seekarte, Handbuch, Internetseite von SXK… und  werden fündig. Sowohl eine blaue Boje (SXK) liegt auf unserem Weg, als auch der kleine  Vereinssteg des Bootsclubs von Härnösand. Wir legen, noch in warmer Jacke, um 8h ab und können, sobald wir die schmale Durchfahrt wieder gut passiert haben, die Segel setzten. Die Sonne hält sich zwar noch eine ganze Weile bedeckt, doch auch mit bewölktem Himmel ist es wiedermal spannend, so dicht an den Inseln entlangzusegeln. Der Wind zeigt sich etwas böig, da er immer mal wieder von den Inseln abgelenkt wird, da aber die Grundstärke mit 3Bft. voll ok ist, machen zwischendrin mal einige Böen eher Spaß als Stress. Und wenn man dann so mit gut 6 Knoten durchs Wasser rauscht, ist das einfach nur schön! 

Es dauert auch nicht lange, da schafft es die Sonne durch die Wolken und gibt uns einen fernen Blick auf die Högakustenbron. Unser Kurs führt uns zwar nicht unter Schwedens zweithöchstem Bauwerk durch, aber auch aus der Ferne ist sie beeindruckend.

Die Högakustenbron ist eine Hängebrücke über den Fluss Ångermanälven. Die 1997 eröffnete Brücke ist eine Straßenbrücke für die Europastraße E4. Die maximale Stützweite der Brücke beträgt 1.210m und ist damit fast ebenso lang wie die der Golden Gate Bridge (1.280m). Ihre lichte Höhe beläuft sich auf 40m – wir würden also mit unseren 19,5m Durchfahrtshöhe gut drunter her passen – die Gesamthöhe des Bauwerks ist 186m (inkl. Brückenpfeiler) und die Gesamtlänge misst 1.867m. 

Nach gut 20sm erreichen wir Lustholmen, eine rundum geschützte kleine Bucht mit kleinem Steg, Festmacherbojen und kleinem Sanitärgebäude. Die Mitglieder eines Bootsclubs aus dem nahe gelegenen Härnösand haben es sich hier wirklich hübsch gemacht. Ein bisschen Liegegebühr für die Nutzung von all dem ist natürlich fällig und muss ganz modern an einem Automaten entrichtet werden. Nur dann bekommt man eine Code-Nummer, die sowohl die Tür ins Sanitärgebäude öffnet als auch Strom aus der Steckdose fließen läßt. Wir sind erstaunt, dass kaum jemand hier ist. Nur ein Segler und einige kleine Motorboote haben festgemacht und deren Besatzungen vergnügen sich mit Kind und Kegel am kleinen Strand. Erst später am Nachmittag kommen noch einige weitere kleine Boote.

Nach der Erkundung der näheren Umgebung verbringen wir einen entspannten Nachmittag an Bord. Wir backen mal wieder ein Brot – in der strahlenden Sonne kann der Teig vorher im Cockpit schön gehen und wir haben abends ein leckeres frisches Brot. Und wir kommen mit unserem Schiffsnachbarn nett ins Gespräch. Stig kennt sich in der Region gut aus, ist Pensionär, ehemaliger Uniprofessor, Hafenmeister von Häggvik (da, wo wir gestern waren), segelnd von Finnland bis zu den Shetlandinseln schon überall unterwegs gewesen und gibt uns einige Tipps für unsere Weiterfahrt gen Süden. Und er leiht uns sein Hafenhandbuch für diese Region. Es ist schon einige Jahre alt, aber hier ändern sich die Wassertiefen nicht so schnell und in den neueren Ausgaben sind manche Häfen einfach nicht mehr enthalten. Kleinere, und gerade für die Sportschifffahrt interessante Häfen, wurden einfach gestrichen. Das hat nicht nur unter Schwedens Freizeitskippern schon für einigen Unmut gesorgt und alle hoffen, dass demnächst die aus unerfindlichen Gründen nicht mehr aufgeführten Häfen wieder aufgenommen werden. Jedenfalls leiht er uns sein Schätzchen. Wir werden es ihm schnellstmöglich zurückschicken.

Dienstag (12.07.) beginnt, wie Montag aufgehört hat: bestes Wetter, Sonnenschein, strahlend blauer Himmel. Abgelegt wird schon in kurzer Hose. Wir sind mal wieder vor 8h unterwegs und auch auf dem gegenüber unseres kleinen Steges gelegenen Golfplatz wird schon abgeschlagen. Wir bekommen einen Tag geschenkt, den man sich besser kaum wünschen kann. Ein Hauch mehr Wind dürfte sein, denn wir müssen leider den ganzen Tag motoren, doch das ist wirklich nicht der Rede wert. Wir hoffen, heute in einer kleinen Bucht eine freie Ankerboje zu finden… 

Übrigens hört die eigentliche Region „Höga Kusten“ hier auf und die Berge und Schären werden langsam wieder ein ganz klein wenig niedriger.

Der frühe Segler kriegt die Tonne! Bingo – sie ist unsere! Und hier ist es jetzt wirklich friedlich. In der tief eingeschnittenen Bucht sind ringsum die Felsen bewaldet und wir hören auch mal andere Vögel als nur Möwen. Es gibt einen kleinen Schwimmsteg mit Heckbojen und einen schmalen langen Holzsteg, der direkt an der Felskante entlang gebaut wurde. Später legen hier noch einige Schiffe mit Heckanker an.

Unserem Liegeplatz gegenüber sehen wir einen etwas kahleren Felsen mit einer kleinen Bank. Am Abend wissen wir um die Vorzüge dieser Sitzgelegenheit: von dort oben ist die untergehende Sonne ganz entspannt zu beobachten, wohingegen bei uns an Bord die Sonne leider schon von einigen Bäumen verdeckt wird. Am Ende der Bucht gibt es noch einen kleinen Strand, an dem sich einige Familien tummeln… aber nur bis zum Nachmittag. Dann gehen die Eltern mit Kindern heim und die Bootfahrer sieht man mit großen Kisten und Körben von ihren Schiffen in Richtung Grillplatz wandern. Da haben wir es einfacher: wir packen unseren Grill aus und im Cockpit, mit Schutzdecke drunter, bereitet uns der Cobb leckere Steaks… viel entspannter, als erst alles Zubehör in der Gegend herumzutragen. Vor Allem hätten wir ja auch erst unser Schlauchi zu Wasser lassen müssen, um überhaupt an Land zu kommen. Nee nee, heute mal ohne Landgang.

Später am Abend kommt noch ein Glückspilz und schnappt sich die zweite hier ausliegende Ankerboje.

Leider ist ab dem nächsten Abend Regen und für die nächsten Tage auch dummerweise mal wieder viel Wind angesagt. Daher machen wir uns am Mittwochmorgen (12.07.) auf den Weg nach Sundsvall, einer etwas größeren Stadt in dieser Region. Dort können wir Wind und Wetter geschützt aussitzen, unsere Vorräte auffüllen und mal bei Schwedens größtem Schiffsausstatter vorbeischauen.  

Sundsvall, eine Hafenstadt am Bottnischen Meerbusen, liegt nahe dem geografischen Mittelpunkt von Schweden. 1621 wurden der Stadt die Stadtrechte verliehen. Nach einem starken Bevölkerungswachstum brachte es die Stadt 1887 auf 10.726 Einwohner (heute ca. 55.000). Zu der Zeit hatte die Stadt die höchste Sägewerksdichte der Welt. Als im Juni 1888 ein Funke von einem Dampfschiff den bis dahin größten Brand in der schwedischen Geschichte auslöste, brannte die bis dato vor allem aus Holzhäusern erbaute Stadt fast gänzlich nieder. Im Zentrum durften daraufhin nur noch Steinhäuser gebaut werden, was der Stadt den Kosenamen „Stenstaden“, die Steinstadt, einbrachte. Beim Neuaufbau der Stadt wurden Drachenskulpturen in die Bauten integriert, um sie vor einem erneuten Brand zu schützen. Scheint funktioniert zu haben. Im 20. Jahrhundert war Sundsvall das Zentrum der schwedischen Holzindustrien, heute wird die Stadt von IT-, Telekommunikations-, Bank- und Versicherungsunternehmen dominiert. Und… Sundsvall hat – mit 80 Mitgliedern – das größte Ukuleleorchester Schwedens. 2017 wurde die Stadt von Schwedens Bevölkerung zur schönsten Stadt des Landes gewählt!

Im Gästhamn von Sundsvall sind mal wieder die Heckbojen so dicht zur Pier ausgelegt, dass wir sie nicht gut nutzen können. Da man das aber immer so schlecht einschätzen kann, versuchen wir erstmal unser Bestes. Klappt ja auch, aber die Heckboje liegt schon bei geringem Zug direkt an unserem Heck. Wenn wir die Achterleine aber erstmal richtig dicht gezogen haben – und es ist viel Wind vorhergesagt und sonst gibt sie zuviel nach – liegt die Boje seitwärts direkt am Schiff und schubbert an der Bordwand. Das wollen wir nicht und suchen uns einen anderen Platz. Glücklicherweise liegen ganz am Ende der Pier keine Bojen aus, sodass wir längsseits anlegen können ohne andere Plätze – für Nutzer der Heckbojen – zu belegen. Es wird da zwar sehr schnell richtig flach (nur 1m), aber paßt grad noch. Kaum sind wir fest, laufen noch diverse andere Schiffe unserer Größe ein und mühen sich ziemlich, an den (zu kurz ausgelegten) Heckbojen sinnvoll festzumachen. Ihnen geht es genau wie uns, aber sie stört wohl die Schubberei nicht. Oder sie polieren im Winterlager gerne lange an Kratzern herum. Wer’s mag… Oder es sind Charterschiffe, da ist es den Mietern oft egal, was mit den Schiffen passiert.

Uns kann es egal sein. Wir radeln derweil zum vielgerühmten großen Schiffsausstatter. Er sieht allerdings irgendwie etwas geräubert aus… oder sind wir vielleicht zu anspruchsvoll? Jedenfalls haben wir die Läden von AWN, SVB und COMPASS von unseren letzten Besuchen sowohl ordentlicher als auch mit umfangreicherem Sortiment in Erinnerung. Einige Kleinigkeiten finden wir natürlich doch und kommen mit unseren Einkäufen gerade noch kurz vor dem angekündigten Regen zurück an Bord. Wir schaffen es sogar rechtzeitig, unsere Kuchenbude aufzubauen… überhaupt erst das zweite Mal seit unserer Abfahrt in Kappeln! Und es gewittert und regnet wirklich heftig. Der Hausberg – diesmal ohne Skisprungschanze, sondern mit Abfahrtspiste – ist durch die dichten Wolken und den Regen kaum mehr zu sehen. Wohl den Seglern, die sicher im Hafen liegen und nicht noch unterwegs sind!

Über Nacht hört der Regen dann erstmal auf und übergibt den Staffelstab an einen strammen Westwind. Kann uns recht sein, wir sind gut angebunden und abgefendert… und ohne Regen läßt es sich auch deutlich angenehmer durch die Stadt spazieren. 

Die Stadt gefällt uns übrigens recht gut. Viele schöne Gebäude, eine hohe Restaurant-Dichte, nette Fußgängerzone und die wichtigsten Geschäfte (Supermarkt, Bäcker) nah zum Yachthafen. Trotzdem darf das Wetter ruhig bald wieder besser werden. Übrigens ist die Stadt 2017 von Schwedens Bevölkerung zur schönsten Stadt des Landes gewählt worden!

Stay tuned and keep watching

Kommentare:

2 Responses

  1. Hallo Ihr Zwei,
    lieben Dank für Euren sehr schönen und interessanten Reisebericht. Wir verfolgen sehr gerne Eure Tour und lernen so ein bisschen das Land kennen.
    Liebe Grüße aus Hannover, und passt weiter aus Euch auf!!
    Brigitte & Alfred G.-

  2. Hallo Ihr Lieben,
    mit großem Interesse und mit Begeisterung verfolge ich stets Euere Berichte und Erläuterungen. Man sieht nicht nur tolle Bilder sondern lernt auch viel über die Euch angesteuerten Häfen, Städte und Länder. Petra, Du machst Dir ja sehr viel Mühe, um uns an der Reise teilnehmen zu lassen. Herzlichen Dank dafür!! Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, was auf diesem Törn alles auf Euch zugekommen ist und auch noch auf Euch zukommen wird. Auch über die Wetterverhältnisse bin ich sehr überrascht. Ich wünsche Euch alles Gute für die weitere Tour, gutes Wetter und immer eine handbreit Wasser unterm Kiel.
    Werner

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