Wir erreichen Kalmar

Etappen Simrishamn – Hanö – Tjärö – Karlskrona – Sandhamn – Kalmar / 13. – 20. Mai

Es ist ein wirklich schöner Segeltag. Wir gleiten auf dem Weg von Simrishamn nach Hanö durch die ruhige See, werden durch den gleichmäßigen und moderaten Wind sanft vorangetrieben und genießen das sonnige Wetter. Ganz anders, als es unser Freund Thorsten mit seiner Lebowski vor knapp 3 Wochen durchzustehen hatte. Er musste seine Etappe ab Simrishamn gen Norden nach kurzer Zeit abbrechen, da sich durch den anhaltend starken Ostwind eine unangenehm heftige und gefährliche Welle aufgebaut hatte. Er fuhr zurück in den sicheren Hafen. „Solch eine Welle hatte ich noch nie. Hier ist wohl die Biscaya der Ostsee!“ Erst nach einigen Tagen des Abwartens und der Windberuhigung konnte er seine Reise durch die Hanöbucht fortsetzen. 

Wir haben gleich heute Glück und genießen mehrere Stunden entspanntes Segeln. Erst kurz vor der Insel Hanö muss der Motor mithelfen, denn der Wind schwächelt etwas früher als angesagt. In Hanö sind, wie erwartet, bisher nur zwei weitere Segler fest. Das ändert sich zum Abend hin auch nur geringfügig: zehn Schiffe genießen über Nacht den gemütlichen kleinen Hafen. Kein Vergleich zur Belegung in der Hochsaison, dann liegen auch schon mal 4-5 Schiffe aneinander im Päckchen und der Hafen hat über 30-40 Schiffe zu Gast. Was für ein Glück für uns, dass wir die Möglichkeit haben, vor der großen Reisewelle unterwegs zu sein. 

Lotta, die langjährige Hafenmeisterin, ist nett und quirlig wie immer und aktuell dabei, einige Blumenkübel zu bepflanzen. Soll ja alles nett aussehen. Wir nutzen die Nähe zum Sanitärgebäude für eine erste Waschmaschine und das ungewöhnlich schnelle WLan schreit geradezu danach, einen neuen Blog-Artikel fertig zu stellen. Auf einen längeren Spaziergang über die Insel verzichten wir… Faulheit lässt grüßen. Bestimmt freut sich das zahlreich frei auf der Insel lebende Damwild auch, wenn es nicht von uns gestört wird🤫

Am nächsten Tag haben wir wieder einen schönen Segeltag, der seinen Abschluß in einer kleinen Schärenbucht zwischen Karlshamn und Karlskrona findet. Diese südostschwedische Küstenregion heißt Blekinge und ist die kleinste Provinz des Landes. Wir schleichen uns ganz langsam in die schmale Bucht von Tjärö, die uns Ulli als ruhigen Übernachtungsstop empfohlen hat. Schon von weitem erahnen wir einen langen Steg und sehen viele freie Festmacherbojen. Das wir nur zwei Schiffe daran festgemacht sehen freut uns besonders, allerdings hatten wir das auch nicht anders erwartet – in Schweden ist eben noch nicht Saison. Aber kommen wir überhaupt bis an den Steg? Laut den Tiefenangaben in der Seekarte könnte es knapp werden. Doch zu Beginn des Steges, am Stegkopf, paßt die Tiefe grad noch und so bleiben wir da auch einfach längs liegen und versuchen nicht, uns noch eine Festmacherboje zu angeln… ist ja weiter keiner da und die vielen freien Plätze werden heute bestimmt nicht mehr belegt.

Nach einem kurzen Spaziergang inkl. Kaltgetränke auf der Terrasse des kleinen Restaurants hören wir deutlich unser Cockpit nach uns rufen. Weiche Kissen liegen schon bereit. Doch der Wind hat ungünstig gedreht… es ist zwar sonnig, aber der Wind ist nach wie vor ziemlich kalt und pustet direkt ins Cockpit. Also schnell das Schiff wieder losgebunden und andersherum wieder festgemacht. Jetzt wissen wir ja, dass die Tiefe paßt und mit dem Bug im Wind hat man Windschatten im Cockpit. Ganz einfach. Und zur Belohnung für das schnelle und gelungene Drehmanöver sehen wir noch eine Festmacherleine am Grund des klaren Wassers liegen. Und da es ja hier nicht sonderlich tief ist – nur ca. 2,20-2,40m – können wir uns die Leine gut mit einem langen Bootshaken angeln. Prima. Jetzt aber endlich ein verdientes Nickerchen in der Sonne. Das wir die Leine vorher selber – aus Versehen – ins Wasser geschmissen haben, wollen wir mal lieber verschweigen. Man beachte: wenigstens ein Ende der Leine sollte immer am Schiff fest sein! Passiert halt 🤷‍♂️

Was für ein idyllisches Fleckchen. Keine kreischenden Möwen, wie man sie sonst meist am Wasser erlebt. Vogelgezwitscher um uns herum. OK… ein Möwenpärchen verteidigt lautstark und mit gewagten Flugmanövern sein Nest gegen ein zu nahe vorbei schwimmendes Gänsepaar… danach wieder Ruhe. Wie schön.

oh, wie idyllisch

morgens um 6Uhr

Nichtsdestotrotz starten wir am nächsten Morgen relativ früh, denn es kündigt sich – mal wieder – ein größeres Starkwindfeld an. Und das soll auch einige Tage in dieser Gegend ausharren. Unser Plan war ursprünglich, noch einmal in den Schären vor Karlskrona festzumachen. Doch bei dem angesagten Wind ist das vermutlich keine gute Idee. Also mal wieder umplanen und doch in den Hafen Karlskronas. Und kaum, dass wir aus unserer idyllischen Bucht raus sind, pfeift uns auch schon der Wind entgegen. Wir könnten jetzt weit raus segeln und dann wieder zurückkreuzen… doch der Wind soll weiter zunehmen und wir wollen uns lieber zwischen den Schären verstecken. Also wählen wir den Weg durch die Felsen – unter Maschine – müssen dabei allerdings eine Brückendurchfahrt passieren. Nach unserem „Brückentrauma“ von vor zwei Jahren ist das so ne Sache… Aber wir wagen es, telefonieren mit der Brückenwärterin und siehe da: pünktlich zu unserer Ankunft dreht sich die Brücke auf! So freut uns das. Jetzt noch etwa eine Stunde bis Karlskrona, dann kann der Wind ruhig weiter zulegen. 

Auf dem Weg in die Stadt fahren ungewöhnlich viele Marineschiffe umher, die Luft ist erfüllt von einem immer wieder heftigen Grollen und ab und an sehen wir auch den Grund dafür: Starfighter (oder sowas ähnliches) rasen immer wieder über uns hinweg. Offensichtlich hat die Marine irgendwo in der Nähe eine Übung. Im Yachthafen munkelt man, vor der Küste läge sogar ein Flugzeugträger. Nur das riesige Schiff der Küstenwache, dass normalerweise seinen Liegeplatz direkt neben dem Yachthafen hat, ist heute nicht da. Vermutlich im Auftrag des Königs die Küste bewachen… Der Russe macht alle verrückt.

Seit 1998 steht der Marinehafen, der auch den Hauptstützpunkt der schwedischen Marine beheimatet, auf der UNESCO-Welterbeliste und ist ein Parade-Beispiel für eine geplante Marinestadt aus dem späten 17. Jahrhundert. Dadurch ergibt sich allerdings die etwas groteske Situation, dass das Hafengelände einerseits Welterbe ist, andererseits militärisches Sperrgebiet, in welchem einige sehenswerte Gebäude liegen, die aber nicht besichtigt werden dürfen.

Wir suchen uns einen passenden Platz im Yachthafen und im Laufe des Tages kommen noch weitere Segler hier an, die offensichtlich aus der Windvorhersage die gleichen Schlüsse gezogen haben, wie wir. Lieber gemütlich den Starkwind durchziehen lassen als draußen mit Wind und Welle kämpfen. 

Wir nutzen die Zeit für Einkäufe, Spaziergänge und Kommunikation mit Raymarine wegen des Plotteraustauschs. Inzwischen haben wir zu dem Gerät am Kartentisch eine Art Hassliebe aufgebaut: ziemlich genau nach 4 Stunden Betriebszeit fällt er das erste Mal aus. Danach werden die Laufzeiten deutlich kürzer. Aber er fällt aus: man kann sich drauf verlassen😵‍💫 das ist doch wenigstens was. Wenn das kein thermisches Problem ist, wissen wir es auch nicht. Inzwischen haben wir aber einen Austauschtermin in Kalmar. Na bitte – geht doch!

Der Wind tut uns den Gefallen und kommt so, wie vorhergesagt. Dann denkt man wenigstens nicht: wären wir doch bloß weitergefahren. Wir messen hier im geschützten Hafen Windstärke 6-7, da wollen wir lieber nicht darüber sinnieren, wie es draußen bläst. Alles richtig gemacht. Unsere eScooter kommen auch wieder zum Einsatz. So läßt sich der Erkundungs-Radius doch deutlich vergrößern. Inzwischen haben wir auch die richtige Griff-Technik, die doch etwas schweren Dinger gut von Bord und wieder drauf zu bekommen. Und an ihrem „Parkplatz“ auf dem Achterdeck stören sie unterwegs überhaupt nicht.

reichlich Wind im Hafen

6-7 Bft.

Als die Windvorhersage dann endlich moderaten Wind in Aussicht stellt, stellen wir unseren Wecker mal wieder auf eine frühe Uhrzeit ein: Wecken um 04 Uhr… ist dann ja schließlich schon hell. Die morgendliche Windvorhersage ist noch ziemlich identisch mit der Vorabend-Auskunft und so heißt es: 05.20 Uhr Leinen los. Leise schleichen wir uns aus dem Hafen… auf keinem Schiff sieht man Aktivitäten und wir wollen niemanden wecken. Möglichst bald werden die Segel gesetzt – und dann schnell eine dicke Mütze auf den Kopf. Die Sonne wärmt zwar auch zu so früher Stunde schon ein wenig, doch der Nordost-Wind ist noch fröstelig kalt. Als wir aus den schützenden Schären herauskommen, ist dann doch noch mehr Wind als gedacht. Egal… zwei Reffs kommt ins Großsegel… der Kurs paßt… Pilgrim läßt sich nicht lumpen und pflügt zügig durchs Wasser. Nach einiger Zeit ist dann allerdings ein Kurswechsel notwendig und das heißt für uns: Wind direkt von vorne. Das ist natürlich denkbar blöd und so kreuzen wir eine ganze Weile gegen den Wind. Es läuft richtig gut, verlängert aber die Strecke bis zum Ziel erheblich. Und wir merken mal wieder: unser Schiff ist quasi „Linkshänder“. Auf dem linken Bug läuft Pilgrim etwas besser, aber vielleicht läuft auch auf dieser Seite die Welle etwas weniger störend gegen uns…

Dann sehen wir auf dem AIS, dass auch einige uns inzwischen bekannte Schiffe in Karlskrona losgemacht haben und unterwegs gen Kalmar sind. Allerdings können sie einen anderen Weg nehmen als wir und dadurch etwas länger in den schützenden Schären bleiben. Und kürzer ist ihre Strecke auch. Dieser Weg ist uns aber versperrt, da eine zu passierende Brücke nur 18m Durchfahrtshöhe hat. Wir benötigen aber 20m.🤷‍♀️ Tja, früh starten und dann einfach „links überholt werden“ ist schon blöd, aber auch nicht wirklich wichtig. Hauptsache, es läuft gut! Und es läuft gut! Wir entscheiden, heute nicht noch den ganzen Kalmarsund hochzukreuzen. Das ist uns dann doch zu weit und zu lange. Wir machen unterwegs Station in Sandhamn, einem zwar nicht richtig schönen, aber sehr großzügig angelegten Fischereihafen mit einigen Gästeplätzen. Die Anderen sollen ruhig weiterfahren, morgen haben wir sie wieder eingeholt – wir legen einfach erneut um 05Uhr ab 🤫 und schleichen uns an ihnen vorbei 🫡

Kalli ist gut drauf !!

Dann die Scooter ausgepackt zu einer kleinen Spazierfahrt zum Nachbarhafen Torhamn (aber zu klein für uns) – mit Café-Besuch. Hier ist der Bär (bzw. das Kamel) los. Ob das hier wohl immer so voll ist oder geht jetzt erst die Saison los? Wohl eher letzteres, denn die Servicekräfte sind noch etwas unkoordiniert… aber nett. Und sie verkaufen uns ein leckeres Krabbensandwich „to go“, das wir, zurück an Bord, als Vorspeise genießen. Echt lecker! Dann schnell noch den Grill ausgepackt und es damit den zahlreichen Wohnmobilisten, die den Parkplatz bevölkern, gleichgetan. An den Häfen gibt es fast überall entspr. Stellplätze, und die sind auch jetzt – in der hiesigen Vorsaison – schon gut besucht.

Dann aber zeitig in die Koje, uns fallen eh schon die Augen zu und morgen wollen wir ja wieder früh starten. 🥱😴😴 Es wird dann aber doch 06 Uhr, als wir die Leinen lösen und ablegen. Es ist immerhin Sonntag… und Pfingsten (19.05.24).

Der Wind hat sich über Nacht völlig beruhigt, um jetzt am Morgen wieder Kraft zu haben. Was ein praktischer Zufall, dass wir unser Reff von gestern noch locker im Segel eingebunden haben… jetzt muss es wieder ran. Also Reff wieder durchgesetzt und weiter den Kalmarsund hinaufgekreuzt, wie wir es gestern schon angefangen haben. Heute ist allerdings die Welle ein wenig angenehmer. Nach einiger Zeit nimmt der Wind leider stetig ab… unser Reff kann raus… wir segeln noch etwas weiter… bis der Wind dann doch so weit abnimmt, dass wir nicht mehr so recht von der Stelle kommen. Schluss mit lustig und mit segeln, Motor an, Segel runter und Kurs direkt auf Kalmar angelegt. Die Strecke zieht sich ein wenig, zumal es nur geradeaus geht und es um uns herum nichts zu beachten gilt. Ausser die Beobachtung, aus welchen Häfen denn die „Mitsegler“ von gestern alle so hervorkommen… und wann. Irgendwann kommen wir dann doch in Kalmar an (vor den anderen 👏👏) und finden einen Platz längsseits an der Mole. Unser Wunschplatz. Inzwischen ist es so warm geworden (und der kühlende Wind fehlt hier im geschützten Hafenbecken), dass wir sofort nach dem Festmachen die langen gegen die kurzen Hosen tauschen müssen/dürfen. Auf das ersehnte leckere Eis, dass es immer auf der Pier gab, müssen wir leider verzichten. Der gesamte hintere Bereich der Pier ist eine einzige Baustelle – nichts mit Eisbude 🤷‍♀️🍦 – aber dafür wird der Hafen saniert. Und unser Liegeplatz ist weit genug weg, sodass wir von dem Baulärm nichts mitbekommen.

Es wird ein kurzer Abend. Das frühe Aufstehen und die lange Etappe machen sich bemerkbar. Und morgen früh is nix mit ausschlafen: wir haben einen Termin zum Austausch des Plotters! Ist zwar Pfingstmontag, aber in Schweden schon seit 2005 kein Feiertag mehr und so klopft der Monteur pünktlich um 09 Uhr ans Schiff… mit einem neuen Plotter unterm Arm! Schnell und professionell ist der Defekte aus- und der Neue eingebaut, Updates installiert, vorher gesicherte Daten aufgespielt, und über die Nachteile dieser neuen Plotter-Generation gefachsimpelt: sie werden bei der Arbeit einfach sehr warm. Wir sollen – vorsichtshalber – mal über eine Belüftungsmöglichkeit nachdenken. OK, machen wir. Aber wäre es nicht „eigentlich“ der Job der Entwickler, für Abhilfe zu sorgen? Oder sollten diese Plotter nicht vielleicht nur für den Betrieb im Aussenbereich, also am Steuerstand verkauft werden und nicht unter Deck am Kartentisch verbaut werden (dürfen)? Egal… wir sind eh noch 2-3 Tage in Kalmar bis der aktuell mal wieder heftige Nordwind durchgezogen ist und überlegen uns das mit einer Belüftungsmöglichkeit. Evtl. würde das auch der Marine-Service vor Ort für uns erledigen – Ulli, der Bastelprofi, ist ja leider grad nicht in der Nähe😥… er könnte uns sonst bestimmt gute Tipps geben.

Und dann geht es aber erstmal in’s Städtchen… vielleicht doch irgendwo eine Eisbude finden?

Stay tuned and keep watching

Kommentare:

One Response

  1. Hallo Ihr zwei, vielen Dank für die Echtzeitberichte, da wäre man gern dabei. Aber das Leben ist kein Wunschkonzert. So kann man den Ruhestand jdf. auch verbringen! Ich wünsche stets unfallfreie Fahrt und hoffe, dass die Weltlage die Reiserei weiterhin zulässt.
    Viele Grüße aus der Lüneburger Heide von Kerstin

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